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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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einem Stöckchen spielt, und erstarrt, als er das Tier am Ende des Zweigs als Skorpion erkennt. »Mein Gott, Lucy!« Er packt das kleine Mädchen unter den Achseln, hebt es hoch in die Luft, schleudert den Skorpion zu Boden und zertritt ihn. »Lucy, was zum Teufel tust du da?«, ruft er.
    »Dadda, du hast es totgemacht!«
    »Lucy, dieses Tier ist gefährlich! Hat es dich gestochen?«
    »Nein. Es mag mich. Schau«, verkündet sie, öffnet die große Tasche vorn an ihrem Kleid und präsentiert ihm stolz noch einen Skorpion. »Ich habe auch eins für dich.«
    »Nicht bewegen«, sagt er und stellt Lucy bemüht ruhig wieder auf den Boden. Dann steckt er den Zweig in die Kleidertasche, wartet, bis der Skorpion sich daran festhält, holt ihn langsam heraus, wirft ihn in den Sand und zertritt ihn ebenfalls.
    Anschließend sucht er Lucys Arme und Beine nach Stichen ab. »Bist du sicher, dass er dich nicht gestochen hat? Tut dir etwas weh?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hatte ein Abenteuer!«
    »Ja, das war eindeutig ein Abenteuer.«
    »Schau noch mal genau nach«, meinte Bluey. »Man sieht die Stiche nicht immer. Aber sie macht keinen benommenen Eindruck. Das ist ein gutes Zeichen. Offen gestanden hatte ich größere Sorgen, sie könnte in eines der Wasserlöcher gefallen sein.«
    »Du kannst einem aber Mut machen«, murmelte Tom. »Lucy, mein Schatz. Auf Janus gibt es keine Skorpione. Die sind sehr gefährlich. Du darfst sie auf gar keinen Fall anfassen.« Er drückte sie an sich. »Wo, um Himmels willen, warst du denn?«
    »Ich habe mit Tabatha gespielt. Du hast doch gesagt, dass ich das tun soll.« Als Tom sich an seine Anweisung von heute Vormittag erinnerte, sie solle mit der Katze nach draußen gehen, bekam er ein schlechtes Gewissen. »Komm, Liebes, wir bringen dich jetzt zurück zu Mama.« Die Ereignisse des gestrigen Abends verliehen dem Wort eine völlig neue Bedeutung.
    Isabel eilte ihnen von der Veranda aus entgegen und zog Lucy schluchzend vor Erleichterung an sich.
    »Gedankt sei Gott«, sagte Bill, der neben Violet stand, und legte die Arme um sie. »Ich danke dem Allmächtigen. Und auch bei Ihnen bedanke ich mich, Bluey«, fügte er hinzu. »Sie haben uns das Leben gerettet.«
    Diese Ereignisse des Nachmittags vertrieben jeden Gedanken an Hannah Roennfeldt aus Isabels Kopf, und Tom wusste, dass es sinnlos war, das Thema noch einmal anzuschneiden. Allerdings verfolgte ihn ihr Gesicht. Die Frau, die für ihn bislang nur ein Name gewesen war, war nun lebendig geworden. Sie stand Höllenqualen aus, und zwar seinetwegen. Alles an ihr – die eingefallenen Wangen, der Schmerz in ihren Augen, die abgekauten Fingernägel – hatte sich in sein Gedächtnis eingegraben. Und dass sie ihm Respekt und das Vertrauen entgegengebrachte, machte es noch schlimmer.
    Immer wieder fragte sich Tom, welche verborgenen Winkel es wohl in Isabels Verstand geben mochte – Orte, an die sie ihre quälenden Zweifel verbannte, während er ihnen gedanklich nicht entrinnen konnte.
    Am nächsten Tag setzten Ralph und Bluey die Familie auf der Leuchtturminsel ab. »Herrje, die beiden gehen ziemlich kühl miteinander um, findest du nicht?«, meinte der junge Mann, als sie Janus wieder verließen.
    »Ich gebe dir einen guten Rat, Bluey: Versuche nie zu ergründen, was in der Ehe anderer Leute los ist.«
    »Ja, ich weiß, aber sie müssten doch eigentlich Luftsprünge machen, weil Lucy gestern nichts zugestoßen ist. Doch Isabel hat getan, als wäre Tom schuld an ihrem Verschwinden.«
    »Halt dich da raus, Junge. Es ist übrigens Zeit, dass du uns einen Tee kochst.«

Kapitel 23
    Die Frage, was wohl aus Grace Roennfeldt und ihrem Vater geworden war, gehörte zu den ungelösten Rätseln im Great Southern District. Einige behaupteten, es handle sich um einen Beweis dafür, dass man einem Hunnen nicht trauen könne. Sicher sei er ein Spion gewesen und nun, da der Krieg vorbei sei, nach Deutschland zurückbeordert worden. Dass er Österreicher war, spielte keine Rolle. Andere, die sich auf den Meeren auskannten, hatten eine handfestere Erklärung für sein Verschwinden: »Nun, was hat der Bursche sich dabei gedacht, in diesen Gewässern herumzupaddeln? Der hatte wohl Kängurus im Oberstübchen. Hat sicher keine fünf Minuten durchgehalten.« Allerdings herrschte die allgemeine Auffassung, dass Gott auf diese Weise offenbar sein Missfallen an Hannahs Partnerwahl hatte zum Ausdruck bringen wollen. Vergebung war ja an und für sich gut und

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