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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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Hause, Bill. Bringen Sie das arme Mädchen nach Hause.«
    »Isabel, Liebes!« Ihre Mutter fiel ihr um den Hals, sobald sie zur Tür hereinkam. Violet Graysmark war genauso durcheinander wie alle anderen, doch als sie erkannte, in welchem Zustand sich ihre Tochter befand, wagte sie nicht nachzufragen. »Dein Bett ist gemacht. Bill, hol ihre Tasche herein.«
    Isabel schleppte sich mit stumpfer Miene ins Haus. Violet führte sie zu einem Sessel, eilte in die Küche und kehrte mit einem Glas zurück. »Warmes Wasser und Brandy. Für deine Nerven«, verkündete sie. Isabel trank gehorsam und stellte das Glas weg.
    Violet holte eine Decke und breitete sie ihr über die Knie, obwohl es warm im Zimmer war. Isabel begann die Wolle zu streicheln, und fuhr mit dem Zeigefinger die geraden Linien des Karomusters nach. Sie war so in sich versunken, dass sie die Stimme ihrer Mutter nicht zu hören schien. »Kann ich dir etwas bringen, Kleines? Hast du Hunger?«
    Bill steckte den Kopf zur Tür herein und winkte Violet in die Küche. »Hat sie etwas gesagt?«
    »Kein Wort. Ich glaube, sie steht unter Schock.«
    »Nun, dann wären wir schon zu zweit. Ich verstehe kein Wort. Morgen früh gehe ich sofort zur Polizei und versuche zu erfahren, was genau los ist. Diese Hannah Roennfeldt ist doch schon seit Jahren nicht mehr ganz richtig im Oberstübchen. Und der alte Potts mit seinem Geld glaubt wohl, er könnte uns nach seiner Pfeife tanzen lassen.« Er zupfte an den Zipfeln seiner Weste. »Ich werde nicht vor einer Geisteskranken und ihrem Vater katzbuckeln, ganz gleich, wie reich er auch sein mag.«
    In jener Nacht lag Isabel in ihrem Bett aus Kindertagen, das ihr inzwischen fremd und beengend erschien. Ein leichter Wind blähte die Spitzenvorhänge. Draußen zirpten die Grillen, und die Sterne funkelten. Es war, als hätte sie erst vor wenigen Momenten in einer Nacht wie dieser schlaflos und aufgeregt in diesem Bett gelegen und sich auf die morgige Hochzeit gefreut. Sie hatte Gott dafür gedankt, dass er ihr Tom Sherbourne geschickt hatte: dafür, dass er geboren und heil durch den Krieg gekommen und vom Wind des Schicksals an ihre Küste getragen worden war; und sie hatte ihn nach seiner Landung als Erste gesehen.
    Sie versuchte, das Gefühl der Begeisterung und bangen Erwartung wieder wachzurufen. Das Gefühl, dass das Leben nach all der Trauer und den Verlusten, die der Krieg gebracht hatte, wieder zu blühen begann. Doch es war verschwunden: Inzwischen erschien ihr alles wie ein Irrtum, eine Selbsttäuschung. Ihr Glück auf Janus war nun so weit entfernt, dass sie es sich kaum noch vorstellen konnte. Tom hatte sie mit jedem Wort und jedem Schweigen belogen. Waren ihr vielleicht weitere Dinge entgangen, wenn sie schon diesen einen Verrat nicht bemerkt hatte? Warum hatte er seine Begegnung mit Hannah Roennfeldt mit keinem Wort erwähnt? Was verschwieg er ihr sonst noch? Für einen kurzen Moment sah sie zu ihrer Bestürzung Tom, Hannah und Lucy als glückliche Familie vor sich. Der Verdacht, betrogen worden zu sein, der sich ihrer schon auf Janus bemächtigt hatte, kehrte nun, mit weiteren düsteren Andeutungen befrachtet, zurück. Vielleicht hatte es ja andere Frauen in Toms Leben gegeben. Womöglich hatte er eine Ehefrau – oder Ehefrauen – und Kinder im Osten zurückgelassen. Dieses Schreckensbild erschien ihr immer wahrscheinlicher, ja, beinahe zwingend, und bemächtigte sich zunehmend des Zeitraums zwischen dem Vorabend von Isabels Hochzeit und der grauenhaften und bedrückenden Gegenwart. Ein Leuchtturm warnte vor Gefahren – er mahnte die Menschen zur Vorsicht. Und sie hatte den Fehler gemacht, ihn als Hort der Geborgenheit misszuverstehen.
    Ihr Kind zu verlieren. Mitzuerleben, wie Lucy verängstigt und verzweifelt von der Seite der einzigen Menschen gerissen wurde, die sie auf dieser Welt wirklich kannte – allein das war schon unerträglich genug. Doch zu wissen, dass ihr eigener Mann schuld daran war – der Mann, den sie angebetet und dem sie ihr Leben geweiht hatte –, überstieg schlichtweg ihre Vorstellungskraft. Angeblich bedeutete sie ihm etwas, und dennoch hatte er sie mit seinem Verhalten zielsicher vernichtet.
    Indem sie ihre Gedanken nach außen, also auf Tom, richtete, ersparte sie sich, so schmerzhaft es auch sein mochte, den Schritt, einer viel bitteren Wahrheit auf den Grund zu gehen. Langsam nahm ein fast greifbares Gefühl in ihren düsteren Gedanken Gestalt an: das Bedürfnis nach Rache, die

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