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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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kennenlernen.«
    Septimus legte ihr den Arm um die Schultern. »Es ist keine Frage des ›wieder‹. Du bist ein wildfremder Mensch für sie.«
    »Versuch du es doch. Bitte schau, ob du sie herauslocken kannst … Vor Gwen ist sie auch davongelaufen.«
    »Ich denke, sie hat für einen Tag genug unbekannte Gesichter gesehen. Meine verbeulte Visage hat ihr vermutlich gerade noch gefehlt. Lass sie einfach ein bisschen in Ruhe.«
    »Was habe ich falsch gemacht, um das zu verdienen, Dad?«
    »Es ist nicht deine Schuld. Sie ist deine Tochter und jetzt dort, wo sie hingehört. Gib ihr einfach Zeit, mein Mädchen. Gib ihr Zeit.« Er strich ihr sanft übers Haar. »Und ich sorge dafür, dass dieser Sherbourne seine gerechte Strafe erhält. Das schwöre ich dir.«
    Als er ins Haus zurückkehrte, bemerkte er, dass Gwen im dunklen Flur stand und ihre Schwester beobachtete. »Oh, Dad, die arme Kleine ist so ein trauriger Anblick«, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Ihr Weinen bricht einem das Herz.« Sie seufzte tief auf. »Vielleicht gewöhnt sie sich ja an die Situation«, fügte sie hinzu und zuckte die Achseln, obwohl ihr Blick den Worten Lügen strafte.
    In der Wildnis rings um Partageuse hat jedes Lebewesen seine eigene Strategie, um sich zu verteidigen. Die Geschöpfe, über die man sich die wenigsten Gedanken zu machen braucht, sind die, die überleben, indem sie sich schnell verdrücken: Der Goulds-Waran, der Kragensittich und der Fuchskusu verschwinden, sobald die Zeichen auch nur ein wenig auf Sturm stehen – Rückzug, Ausweichen, Tarnung, so heißen ihre Methoden. Bei anderen hingegen kann die Begegnung tödlich enden, wenn man ihnen in die Quere kommt. Die schwarze Tigerotter, der Hai und die Falltürspinne greifen an, wenn sie sich vom Menschen bedroht fühlen.
    Doch am meisten muss man die fürchten, die reglos verharren und deren Abwehr ihr Geheimnis bleibt, bis man rein zufällig mit ihnen in Konflikt gerät. Sie kennen keine Unterschiede. Wer zum Beispiel die hübschen herzförmigen Blätter des Giftbuschs isst, erleidet einen Herzstillstand. Diese Pflanzen und Tiere wollen sich nur schützen, doch Gott steh einem bei, falls man sich ihnen nähert. Und als Isabel Sherbourne sich bedroht fühlte, wurde auch ihr Verteidigungsmechanismus ausgelöst.
    Vernon Knuckey saß da und klopfte mit den Fingern auf den Schreibtisch, während Isabel im Nebenzimmer auf ihre Vernehmung wartete. Partageuse war für einen Polizisten eigentlich ein ziemlich ruhiges Pflaster. Hin und wieder ein Fall von Körperverletzung oder Trunkenheit in Verbindung mit Ruhestörung stellten für gewöhnlich die Höhepunkte der Woche dar. Der Sergeant hätte sich auch nach Perth versetzen lassen und eine Beförderung beantragen können, um zur Abwechslung schwerere Verbrechen zu Gesicht zu bekommen – die hässlichen Narben von Menschen, die ihm weniger bedeuteten als die Leute hier. Allerdings hatte er im Krieg so viel gesehen, dass es ihm für ein Leben lang reichte. Kleine Diebstähle und Geldbußen wegen Schwarzbrennerei waren deshalb genug für ihn. Kenneth Spragg hingegen wollte unbedingt höher hinaus. Er würde diesen Fall bis zum Äußersten ausreizen, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gab, und ihn als Fahrkarte nach Perth benutzen, um die Karriereleiter weiter emporzusteigen. Er kannte niemanden in Partageuse, und die Bewohner dieser Stadt waren ihm gleichgültig, dachte Knuckey. Bill und Violet zum Beispiel und ihre Söhne, die gefallen waren. Er dachte an all die Jahre, in denen er die kleine Isabel mit ihrer wunderschönen Stimme und dem engelsgleichen Gesicht an Weihnachten im Kirchenchor gesehen hatte. Dann erinnerte er sich an den alten Potts, der sich seit dem Tod seiner Frau aufopferungsvoll um seine Töchter kümmerte. Hannahs Partnerwahl hatte ihn schwer getroffen. Hannah konnte man zwar nicht als Schönheit bezeichnen, aber sie war ausgesprochen klug und ein guter Mensch. Er hatte immer vermutet, dass sie nicht ganz richtig im Oberstübchen war, weil sie nach all den Jahren noch an die Rückkehr ihres Kindes glaubte. Aber nun hatte sich das Blatt plötzlich gewendet.
    Der Sergeant holte tief Luft, betätigte den Türknauf und trat ein. Als er Isabel ansprach, war sein Ton sachlich und respektvoll. »Isabel – Mrs. Sherbourne –, ich muss Ihnen noch einige Fragen stellen. Ich weiß, dass es um Ihren Mann geht, aber es ist eine sehr ernste Angelegenheit.« Er entfernte die Kappe von seinem Füllfederhalter und

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