Das Lied der alten Steine
sechzig, bekleidet mit einem schweren Tweedjackett, Sporthosen und Stiefeln. Mit dem Tropenhelm, seinem einzigen Zugeständnis an das Klima, in der Hand, wandte er sich zu ihr um. »Mrs. Shelley? Ich freue mich sehr.« Seine Verbeugung war höflich, seine Augen unter den buschigen weißen Augenbrauen strahlend blau und sympathisch aufgeschlossen.
Er begrüßte ihre Mitreisenden einen nach dem anderen und befahl dann den beiden dunkelhäutigen Nubiern, die er mitgebracht hatte, Louisas Gepäck in die Feluke zu laden, die neben dem Raddampfer festgemacht hatte.
Nun, da der Augenblick gekommen war, empfand Louisa doch etwas Nervosität. Sie schüttelte nacheinander den Frauen und Männern, die in den vergangenen Wochen ihre Reisegefährten gewesen waren, die Hand, nickte der Besatzung zu, gab dem Kabinenpersonal Trinkgelder und wandte sich dann schließlich dem kleinen Segelboot zu, das sie zur Ibis bringen würde.
»Gar nicht so einfach, meine Liebe, die Leiter hinunterzukommen.« Sir John bot ihr seine Hand. »Wenn Sie unten sind, setzen Sie sich hin, wo Sie wollen. Dort.« Sein strenger Zeigefinger strafte die offene Einladung Lügen.
Louisa wickelte ihre Röcke fest um sich, hob sie so hoch wie sie nur wagte und tastete vorsichtig mit ihrem kleinen braunen Stiefel nach der Leiter. Von unten ergriff eine schwarze Hand ihren Knöchel und lenkte ihren Fuß auf die erste Sprosse. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht vor Ärger den Mann zu treten, der sich dies herausgenommen hatte, und ließ sich rasch in das kleine Boot mit dem flatternden Segel hinab. Die beiden ägyptischen Bootsleute lächelten und verbeugten sich zur Begrüßung, als sie sich auf den Sitz sinken ließ, den Sir John ihr angewiesen hatte. Er folgte ihr hinab und binnen Sekunden fuhr das Boot über das trübe Wasser auf die Ibis zu. Hinter ihr stand Arabella noch an Deck, das Gesicht im Schatten ihres rosa Sonnenschirms, und winkte Louisas scheidendem Rücken zu.
Das Schiff, auf das sie zufuhren, war eines jener anmutigen eleganten privaten Fahrzeuge, die auf dem Nil verkehrten. Es hatte zwei große Lateinsegel und am Heck eine große Ruderpinne, die sich über das Dach der Hauptkabine erhob. Die Räumlichkeiten, wie Louisa bald entdeckte, enthielten Kabinen für sie selbst, die Forresters und Lady Forresters Zofe, einen Salon mit Diwanen und einem großen Schreibtisch und ausreichend Quartiere für die Besatzung, die aus dem Kapitän, auch Reis genannt, und acht Mann bestand. Das Deck war so groß, dass man darauf sitzen und essen konnte, wenn man wollte, und hatte einen eigenen Bereich für die Besatzung, zu der auch ein hervorragender Koch gehörte.
Diesmal würde sie eine eigene Kabine haben. Als Louisa sich darin umsah, hüpfte ihr das Herz vor Freude. Nach dem dunklen Holz und den Messingbeschlägen des Raddampfers wirkte diese Kabine, so klein sie auch war, wie die Anmut selbst. Ihr schmales Bett war mit bunt gewebtem Stoff bedeckt, auf dem Fußboden lag ein Teppich, feine blaue und grüne Gardinen umrahmten das Fenster und Waschschüssel und Eimer bestanden aus getriebenem Metall, das wie Gold glänzte.
Sie riss sich den Hut vom Kopf, warf ihn auf das Bett und sah sich beglückt um. Vom Deck konnte sie das Trippeln nackter Füße und das Ächzen der Masten und der Takelage hören.
Von Lady Forrester war nichts zu sehen. »Indisponiert, meine Liebe. Sie wird beim Dinner zu uns stoßen«, sagte Sir John, als er sie zu ihrer Kabine führte. »Wir fahren so bald wie möglich.
Nicht weit. Wir machen am anderen Ufer fest, dann können Sie morgen zum Tal aufbrechen. Hassan wird Ihr Dragoman sein.
Guter Mann. Wärmstens zu empfehlen. Sehr verlässlich. Und billig.« Er lächelte wissend. »Und Jane Treece, die Zofe, werden Sie sich mit Lady Forrester teilen müssen. Ich schicke sie sofort zu Ihnen, dann kann sie Ihnen helfen, sich einzurichten.«
Und da war sie, eine Frau von etwa fünfundvierzig Jahren, mit streng zurückgebundenen und von einer Haube bedeckten Haaren, einem schwarzen Kleid und einer Haut, die unter der grausamen Sonne zu einer Art Landkarte aus Sommersprossen und feinen Falten geworden war. »Guten Abend, Mrs. Shelley.«
Ihre Stimme klang tief und gebildet. »Sir John hat mich gebeten, Sie als Zofe und Anstandsdame zu bedienen, solange Sie auf seinem Boot sind.«
Louisa verbarg ihre Enttäuschung, so gut sie konnte. Sie hatte gehofft, von solchen Förmlichkeiten befreit zu sein. Dennoch würde es eine große Hilfe
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