Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
der Lack jetzt edel schwarz, und auch der Motor röhrte wie eine ganze Löwenhorde und brachte auch wesentlich mehr Leistung.
»Ob die anderen alle da sind?«, fragte Thomas, nachdem er den Motor abgestellt hatte. Wir hatten uns mutig zwischen einen BMW und einen Maybach gequetscht.
»Das will ich doch schwer hoffen. Soweit ich weiß, hatte sogar Aiko vor, zu kommen. Immerhin feiern wir Wintersonnenwende.«
»Früher hast du mal Weihnachten dazu gesagt.« Thomas deutete auf die Lichter in den großen Tannenbäumen, die vor dem Haus standen.
»Das hier ist aber keine Weihnachtsfeier. Wir feiern das Neuerwachen der Sonne. Wenn du auf Geschenke hoffst, dann muss ich dich leider enttäuschen.«
Thomas grinste breit, und ich musste feststellen, dass er in dem tollen Anzug, den Jean ihm damals überlassen hatte, einfach zum Anbeißen aussah.
»Ich habe mein Geschenk schon bekommen«, sagte er und strich mir zärtlich über die Wange. »Mehr brauche ich nicht.« Wir küssten uns, doch bevor Thomas mich fest an sich ziehen konnte, hielt ich ihn zurück.
»He, zerknittere mein Kleid nicht.«
Rasch strich ich den edlen beerenfarbenen Stoff wieder zurecht. Das Abendkleid hatte die ganze Zeit über in der Schachtel gelegen. Jetzt endlich hatte ich einen Grund, es mal zu tragen.
»Na gut, jetzt noch nicht.« Thomas zwinkerte mir unverschämt zu, dann stiegen wir aus.
Auf dem Rondell vor dem Eingang wimmelte es nur so von teuren Wagen. Phemes Mustang suchte ich zunächst vergebens. Dank meiner vor kurzem zu voller Stärke erwachten Nachtsichtfähigkeit entdeckte ich ihn allerdings etwas abseits unter einem Carport – direkt neben einem schneeweißen Lamborghini, der zweifelsohne Jean gehörte.
Was hatte das wohl zu bedeuten?
Als wir die Treppe hinaufstiegen und ich mir ein wenig wie Aschenputtel vorkam – nur mit dem Unterschied, dass ich meinen Prinzen bereits hatte –, fiel mir erneut auf, wie protzig Jeans Haus war. Wir hingegen hatten uns eine kleine Wohnung außerhalb von Ennis im Westen Irlands gesucht und dort auch Arbeit in einer Tischlerei gefunden.
Nach unserer Rückkehr nach Berlin hatten wir erfahren, dass wir zwar noch immer als vermisst galten, aber nicht mehr unter Verdacht standen, das Massaker im Wohnheim verursacht zu haben. Dennoch hatten wir uns nicht zum Bleiben entschließen können. Zu viel war passiert, und wir hätten uns zu viele Lügen ausdenken müssen, um alles zu erklären. Außerdem war Berlin ohnehin zu groß, als dass ich es auf Dauer dort ausgehalten hätte. So hatte Thomas nur schnell seinen Eltern Bescheid gesagt, dass es ihm gutging, und ich hatte meinen Vater angerufen. Mehrmals.
Mein Verschwinden hatte ihm zu denken gegeben, er hatte tatsächlich eine Therapie begonnen und war bis jetzt nüchtern. Wir waren immer noch ziemlich vorsichtig im Umgang miteinander, aber mit jedem Anruf wurde es ein bisschen einfacher, ein bisschen normaler.
Als wir das Haus betraten, wehte uns ein köstlicher Duft entgegen: süße Mandeln, Zimt und einige exotische Gewürze. Der Butler begrüßte uns mit einem Glas Sekt, dann führte er uns in den Festsaal, der prachtvoll geschmückt war. Nicht weihnachtlich, wie man hätte meinen können, sondern nach Art der Götterkinder. Die Nymphen hatten für lebenden Blütenschmuck gesorgt, und die Gargoyles hatten einige Kristalle mitgebracht, die auf den Tischen zwischen den Blüten glitzerten. Asiatisch anmutende Feuerschalen sorgten für Gemütlichkeit, und in der Mitte der Tanzfläche sprudelte ein kleiner Springbrunnen.
Die Sängerinnen, die für die musikalische Untermalung sorgten, waren unverkennbar Sirenen, und die hohen, geflügelten Statuen, die ein leicht zerfetztes Banner mit der Aufschrift »Happy Dubluachair« hielten – was so viel wie »Frohe Wintersonnenwende« hieß –, stammten aus der Hand der Lamien. Diese hatten nach ihrer Niederlage als einzige Nyxianer ein Waffenstillstandsabkommen mit den anderen Götterkindern getroffen.
Mich überlief es eiskalt, als ich einige bleiche und schwarzgekleidete Exemplare am Rand des Ballsaals stehen sah, doch die Regung verschwand schnell, als ich unter den prächtig gekleideten Gästen ein altbekanntes Gesicht entdeckte.
Pheme.
Das cremefarbene Seidenkleid passte sehr gut zu ihrem olivfarbenen Hautton, und mit ihren offen getragenen Haaren sah sie vollkommen verwandelt aus. Trotzdem wusste ich genau, dass unter dieser piekfeinen Verkleidung immer noch die alte Pheme steckte, die gern an
Weitere Kostenlose Bücher