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Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janika Nowak
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Gestalt, die auf einem Absatz vor einer Reihe von Käfigen lag.
    Was für ein furchtbarer Anblick!
    Pheme schluchzte laut auf, und ich konnte nicht anders, als einzustimmen. Der Schmerz hätte mich fast zerrissen.
    Pheme hob den Toten auf und presste ihn an die Brust. »Macius!«, klagte sie. »Du kannst nicht einfach fortgehen. Was soll aus uns werden?«
    Ich setzte mich neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Thomas, dem ebenfalls Tränen über die Wangen liefen, hockte sich hinter mich und zog mich in seine Arme.
    »Ihr klagt um euren Freund?«, fragte plötzlich eine Stimme, die uns zusammenzucken ließ.
    Eine Frau in einem weißen Gewand näherte sich uns. Sie war überiridisch schön, beinahe wie ein Engel – auch wenn ich jetzt wusste, dass die Wesen, welche die Menschen Engel nannten, etwas ganz anderes waren. Sie erinnerte mich an etwas: an die Statue im Tempel …
    Gaia, hallte es mit Macius’ Stimme durch meinen Verstand, und ich erstarrte. Konnte sie sich tatsächlich in einen Menschen verwandeln?
    »Ich habe viele Gestalten«, erklärte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Klar, als Göttin war so etwas natürlich möglich. »Ich habe diese gewählt, weil sie euch am vertrautesten ist.«
    Sie kam ein paar Schritte näher. Weder Pheme noch Thomas und erst recht nicht ich konnte sich bewegen.
    »Betrauert euren Freund nicht«, sagte sie sanft und sank in einer eleganten Bewegung neben uns zu Boden. Ein leicht erdiger Geruch stieg mir in die Nase. »Polyphemos hat ihm zwar seine Magie genommen, aber den Lebensfunken konnte er ihm nicht austreiben. Er ist immer noch da.« Sie legte eine Hand auf die Brust des Wassermanns, worauf ein blendend weißes Licht erstrahlte.
    Ich kniff die Augen zusammen und wendete mich ab. Erst, als ich ein heiseres Husten vernahm, riss ich die Augen wieder auf. Oh …
    »Macius!«
    Ich warf mich auf den Wassermann und schlang ihm die Arme um den Hals, worauf er nach hinten überkippte und nach Luft rang. Ich rappelte mich erschrocken auf, doch er lächelte verhalten und streckte uns die Arme entgegen, damit wir ihm wieder in eine sitzende Position verhalfen. Sein Atem hörte sich schrecklich an, wurde aber mit jedem Luftholen etwas besser. Wir starrten ihn gebannt an.
    »Wo bin ich?«, fragte er schließlich.
    Pheme lachte erstickt auf. »Wohin du dich hast verschleppen lassen, in der Burg des Wächters.«
    »Die Burg der Lusignans.«
    »Wir haben es Jean Lacrosse zu verdanken, dass wir auf diesen Ort gekommen sind«, erklärte die Sirene.
    »Der alte Bursche lebt also auch noch.«
    »Und er hat nicht gekämpft, als wäre er schon tausend Jahre alt.«
    Macius nickte, dann blickte er mich an. »Was ist mit Polyphemos? Ich dachte, der Wächter hätte mich getötet.«
    »Das hat er auch«, sagte die weißgekleidete Frau. »Doch ich habe dir das Leben wiedergegeben, das er dir geraubt hat. Er wird jetzt elftausend Jahre Zeit haben, um darüber nachzudenken.«
    Macius sah überrascht auf, und beugte dann den Oberkörper, bis seine Stirn den Boden berührte. »Ich danke Euch, Gaia.«
    Die Göttin lächelte und löste sich in Luft auf.

    Wahrscheinlich würden die Zeitungen morgen von einem merkwürdigen Unwetter berichten, das über Zypern getobt hatte, aber das konnte uns egal sein. Während Polyphemos wieder in Dauerschlaf versetzt wurde, stieg ein neuer Wächter auf, um seinen Dienst zu versehen. Hoffentlich besser als sein Vorgänger.
    Nachdem Gaia verschwunden war, lösten sich auch die Überreste der getöteten Nyxianer auf. Was wohl Gaias Götterkollegin Nyx dazu sagte?
    Wenn wir Glück hatten, würden wir es nie erfahren. Als auch die übriggebliebenen Ghule und Lamien das Weite gesucht hatten, machten sich die Nymphen daran, die Verletzten zu heilen. Dabei erhaschte ich einen Blick auf Galatea, die wesentlich jünger aussah als bei unserem letzten Zusammentreffen. Die Blüten in ihrem Haar waren verschwunden, ersetzt durch Kräuterzweige, mit deren Hilfe sie Kräuterverbände herbeizauberte, um Verletzungen in Windeseile zu heilen. Nach wenigen Stunden war die Burg wieder so gut wie verlassen. Die Gargoyles hatten sich als Erste verabschiedet, sie waren offenbar nicht an großen Dankesreden interessiert.
    Zumindest kam Dragomir vorher noch einmal vorbei, um Lebewohl zu sagen. Er war noch immer in seiner Steingestalt.
    »Vielen Dank für eure schnelle Hilfe.« Ich reichte ihm die Hand.
    Dragomir ergriff sie vorsichtig.
    »Nein, ich muss dir danken.

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