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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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ließ die Waffe sinken. Im nächsten Moment hatte Duncan sie in der Hand und wollte sie ins Wasser schleudern.  
    »Nicht!«, hielt Moira ihn zurück und nahm die Waffe an sich. Duncan lief los, allerdings nicht in den Wald, sondern zu der kleinen Gruppe von Eingeborenen, die sich wehklagend um den Verletzten scharten.  
    Schwer lag der metallverzierte Holzgriff der Pistole in Moiras Hand. Schwer und tödlich. Sie richtete den Lauf auf McIntyre.  
    Dieser erbleichte. »Was … was soll das?« Er riss die Augen auf. »Moira, bitte, mach jetzt keine Dummheiten …«  
    Sie konnte ihn hier und jetzt erschießen. Für einen kurzen, wundervollen Moment stellte sie sich vor, wie es wäre, wenn McIntyre einfach nicht mehr da wäre. Wenn sie frei wäre. Endlich frei …  
    »Moira!« Erst Duncans entsetzter Ausruf brachte sie wieder zu sich. Sie warf die Pistole in hohem Bogen ins Wasser und wischte sich zitternd die Handflächen an ihrem Rock ab, als hätte sie in faules Obst gefasst.  
    »Dr. McIntyre!« Duncans Stimme war drängend. »Bei allem, was Euch heilig ist, Sir – schnell, ich brauche Eure Hilfe! Er stirbt!«  
    McIntyre stand wie versteinert, aber bei diesen Worten ging ein Ruck durch ihn, und gefolgt von Moira eilte er zu der kleinen Eingeborenengruppe.  
    Duncan kniete neben dem Verletzten und hatte dessen Kopf in seinen Schoß gelegt. Das war kein Eingeborener, bemerkte Moira erstaunt, auch wenn er auf den ersten Blick so ausgesehen hatte. Es war ein älterer Weißer mit einem grauen Bart. An seiner anderen Seite hockte July mit tränenüberströmtem Gesicht.  
    Die Kugel war seitlich in den Brustkorb, dessen nackte Haut von eigenartigen Narben bedeckt war, eingedrungen. Ein dünnes Rinnsal Blut sickerte aus der Wunde, und obwohl er schwer und keuchend atmete, sah er aus, als würden die Lungen nicht genug Luft schöpfen können. Die Halsvenen hoben sich unnatürlich prall ab, und die Haut hatte einen bläulich grauen Ton angenommen. Moira vermeinte etwas wie ein leises, feuchtes Schlürfen zu hören.  
    McIntyre ließ sich neben dem Verletzten nieder, fühlte seinen Puls und lauschte seinem Atem. Dann begann er, mit den Fingern seiner rechten Hand den Brustkorb abzuklopfen.  
    Moira kam sich vor, als würde sie alles wie aus weiter Ferne betrachten. In ihren Ohren rauschte es. Hatte sie richtig gehört? Sollte das etwa Duncans Vater sein? Aber wie war das möglich?  
    »Sergeant Gillet, habt Ihr ein Messer?«, fragte McIntyre.  
    Moira blickte auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass nun auch die Rotröcke bei ihnen standen.  
    Der Sergeant grinste. »Wollt Ihr den Hurensohn erstechen, Doktor?«  
    »Natürlich nicht. Habt Ihr nun ein Messer?«  
    »Nicht für so einen! Diese verdammten Wilden haben einen Speer auf uns geworfen!«  
    Moira blickte July an. »Ein Messer!«, stieß sie hervor. »Schnell, hast du ein Messer? Er will ihm helfen!« Was immer McIntyre damit vorhatte, Moira war überzeugt, dass es zum Besten des Verletzten war.  
    Das Mädchen sah sie fragend aus verweinten Augen an.  
    »Messer.« Moira machte eine Bewegung, als würde sie etwas durchschneiden. Der größere der Eingeborenen streckte ihr eine schmale steinerne Klinge hin, die sie schnell an McIntyre weitergab. Der Bärtige war inzwischen am Rande einer Ohnmacht, seine Hautfarbe wurde zunehmend grauer.  
    »Was habt Ihr vor?«, fragte Duncan. Er klang verzweifelt, nicht misstrauisch.  
    »Die Lunge ist kollabiert, und in den Raum zwischen Lunge und Rippen ist Luft eingedrungen. Ich muss eine Drainage anlegen. Nur so kann ich den Druck ausgleichen.«  
    Moira verstand nicht viel von diesen Erläuterungen, und auch Duncan sah nicht so aus, als hätte er alles begriffen, aber er nickte.  
    »Halt ihn fest«, wies McIntyre ihn an. Mit der Linken tastete er auf der verletzten Brustkorbseite nach einer Stelle eine Handbreit unterhalb des Schlüsselbeins und stach dann die Klinge vorsichtig hinein. Der Verletzte zuckte; es gab ein Geräusch wie ein leises Zischen, dann holte er tief und röchelnd Atem. Binnen weniger Augenblicke kehrte seine Farbe wieder zurück. Duncan stieß einen erleichterten Seufzer aus.  
    Auch McIntyre atmete hörbar auf. »Die Wunde muss offen gehalten werden.« Er beugte sich erneut über den Verletzten. »Und er muss so schnell wie möglich ins Lazarett.«  
    »O’Sullivan!«, ertönte in diesem Moment die Stimme des Sergeants. Die Läufe aller drei Musketen waren auf Duncan

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