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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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erklären können, was es mit dem Totsingen auf sich hatte? Das Totsingen war ein machtvoller Zauber. Einer, der stets zum Ziel führte, auch wenn er manchmal länger brauchte.  
    Die Schreie erstarben allmählich. Sie steckte das goldene Behältnis wieder ein. Es war noch nicht vorbei. Aber sie hatte Zeit. Viel Zeit.  
    *  
    Die schauderhaften Schreie waren endlich verstummt. Verstohlen berührte Alistair den Knauf der Pistole, die nun in ihrem Halfter an seinem Sattel befestigt war. Sergeant Gillet hatte darauf bestanden, dass Alistair die Waffe des unglücklichen Higgins an sich nahm, schließlich konnte niemand sagen, welche Schrecken in dieser grünen Hölle noch auf sie lauerten.  
    Sie waren jetzt nur noch zu viert. Die Zähne des Krokodils hatten den Unterschenkel des Majors verletzt. Alistair hatte einen Blick auf die Wunden geworfen und es danach als seine ärztliche Pflicht angesehen, Major Penrith zurück nach Parramatta zu schicken. Erstaunlicherweise hatte der Major dem nicht widersprochen; er schien doch stärker mitgenommen zu sein, als er zugeben wollte. Dass Alistair ihn begleitete, hatte er allerdings strikt abgelehnt und stattdessen einen der Soldaten mitgenommen. Zudem hatte er Sergeant Gillet das Kommando über ihren kleinen Suchtrupp übertragen mit dem Befehl, ja nicht ohne die beiden Flüchtigen zurückzukommen.  
    Inzwischen lag der Sumpf hinter ihnen, sie konnten wieder reiten. Dabei wollte Alistair nur noch nach Hause. Er wollte diese grässlichen Bilder, die ihn von Higgins’ Tod verfolgten, aus seinem Kopf streichen und sich wieder in seine Arbeit stürzen. Und vor allem wollte er fort aus diesem schrecklichen Busch. Aber statt endlich umzukehren, mussten sie noch immer O’Sullivan und dem anderen Flüchtling nachspüren.  
    Sie ritten durch lichteres Gelände, als sich eine Schlange direkt vor ihm über den Boden wand. Alistairs Pferd scheute, bäumte sich kurz auf – und stürmte mit ihm davon. Zu Tode erschrocken krallte er sich an den Zügeln fest, zog den Kopf ein und klammerte sich mit den Beinen eng an den Pferdekörper, nur darauf bedacht, nicht herunterzufallen.  
    »Ho!«, rief er verzweifelt und zerrte an den Zügeln. »Ho!«  
    Es nützte nichts. Rechts und links von ihm schossen Bäume und Gestrüpp vorüber, Äste peitschten schmerzhaft gegen seine Beine und in sein Gesicht. Weiter und weiter ging der mörderische Ritt, er hüpfte auf dem harten Sattel auf und ab und stöhnte immer wieder vor Schmerz auf. Angstvoll schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich nicht plötzlich vor ihm eine Klippe auftat und er und das Pferd in den Tod stürzten. Oder in einem Tümpel mit einem Krokodil landeten.  
    Der entsetzliche Ritt schien ihm Stunden zu dauern, dabei waren es sicher nur einige Minuten. Irgendwann hatte sich das Pferd wieder so weit beruhigt, dass es in eine langsamere Gangart fiel. Zitternd und in Schweiß gebadet, zog Alistair am Zügel und brachte es ganz zum Stehen. Dann stieg er vorsichtig aus dem Sattel, jederzeit befürchtend, dass der verdammte Gaul wieder mit ihm durchging, während er noch den Fuß im Steigbügel hatte.  
    Wo war er? Wie weit hatte er sich von den anderen entfernt? Der Busch schien hier noch lichter geworden zu sein, fast glaubte er, er könne weiter vorne eine freie Fläche durch die Bäume schimmern sehen.  
    Das Pferd atmete genauso heftig wie er selbst, Schweiß bedeckte das hellgraue Fell. Alistair musste sich zurückhalten, dem Tier nicht aus lauter Wut einen Schlag zu versetzen. Er holte Higgins’ Pistole aus ihrem Halfter, griff nach dem Zügel und marschierte, noch etwas wackelig auf den Beinen, los.  
    Er hatte recht gehabt: Der Wald hatte ein Ende. Als er zwischen den Bäumen heraustrat, schüttelte er den Kopf und seufzte laut auf. Er hatte gehofft, wieder in bewohntem Gebiet zu sein, aber hier sah er sich nur einer Wasserfläche gegenüber. Der schmale Uferstreifen war aus sandfarbenem Geröll und ging in das trübe Wasser eines großen Sees oder Flusses über. Kleine Wellen schwappten an das steinige Ufer. Links vor ihm erhob sich eine bewaldete Insel aus dem Gewässer. Keine Menschenseele war zu sehen.  
    Ob er zurück in den Busch gehen und dort nach den Soldaten suchen sollte? Er verwarf den Gedanken. Gott allein mochte wissen, wie weit er sich von ihnen entfernt hatte, und in diesem undurchdringlichen Dschungel würde er sich doch nur verirren. Und so band er das Pferd am Waldrand an einen Baum, während

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