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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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er rasch dazu. »Und vielleicht … noch ein weiteres Modell herzustellen?«  
    *  
    Moira griff zum wiederholten Mal in den mit Gras vermischten Lehm, nahm eine Handvoll der angenehm kühlen, klebrigen Masse heraus und beschmierte damit die Wand aus ineinandergeflochtenen Ästen und Zweigen. Ein bisschen kam sie sich dabei vor wie Robinson Crusoe, jenem einsamen Schiffbrüchigen aus Mr Defoes Roman. Für ihre Behausung hatten sie etliche schlanke Akazienstämme aufrecht in den Boden getrieben und dazwischen dünne Ruten eingeflochten. Zwei rechteckige Aussparungen, die nicht mit Flechtwerk ausgefüllt worden waren, bildeten die Fenster. Jetzt fehlte nur noch der Lehmverputz. Auf diese Art hatten bereits die ersten Siedler in der Botany Bay ihre Hütten errichtet, hatte Wentworth erzählt. Dankenswerterweise hatten sie auch von den Eora Unterstützung bekommen, die sie mit Holz, Rinde und manchmal auch mit Essen versorgt hatten.  
    Sobald Moira etwas Zeit hätte, wollte sie ihren Eltern schreiben. Was sie wohl zu all diesen neuen Entwicklungen sagen würden? Mutter würde natürlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, und auch ihr Vater wäre sicher wenig erfreut darüber. Aber vielleicht würde wenigstens ihre Schwester Ivy sie verstehen.  
    Sie blickte auf und strich sich mit dem Handrücken eine Strähne zurück unter den Sonnenhut. Ein kleines, graupelziges Känguru näherte sich ihr mit diesen seltsam hüpfenden Bewegungen, die sie bei keinem anderen Tier je gesehen hatte. Dann ließ es sich keine zwei Schritt entfernt neben ihr auf seinen kräftigen Hinterbeinen nieder und beäugte wachsam, was Moira da tat.  
    Moira lächelte, wischte sich die lehmbeschmierten Hände notdürftig an einem alten Tuch sauber und streckte vorsichtig einen Arm aus. Das Känguru machte den Hals lang und schnupperte an Moiras Hand, die großen dunklen Augen hinter den langen Wimpern blickten sanftmütig. Dann rümpfte es die Nase und sprang davon.  
    Moira sah ihm hinterher und ließ ihren Blick über das noch unbestellte Stück Land schweifen, das nun ihnen – nein, Duncan – gehörte. Nördlich von Parramatta, nicht weit entfernt von Wentworths Farm, voller Gras und Sträucher und hier und da ein paar Bäume, die sich in einen unglaublich blauen Himmel erhoben. Sie hatten es gemeinsam abgemessen; dreihundert mal vierhundert Schritte. Auf einem Teil davon würden sie Mais anpflanzen und vielleicht auch Weizen. Und später einmal wollten sie Schafe züchten. Oder Pferde. Im Geist sah sie schon eine kleine Herde von kräftigen Rappen, Braunen und Füchsen vor sich, die sich auf der Wiese tummelten.  
    Im Süden grenzte ihre Parzelle an einen schmalen Bachlauf, und dahinter begann das Land von Mr Betts, ihrem Nachbarn. Von dort sah sie jetzt Duncan mit großen Schritten kommen, und das Herz hüpfte ihr vor Freude. Er trug ein zusammengewickeltes Tuch unter dem Arm, das er jetzt neben sich legte.  
    »Ich bin schrecklich schmutzig!«, lachte sie, als er sie umarmen wollte, und entwand sich ihm. »Was hast du da?«  
    »Eine Überraschung.« Er setzte sich neben sie ins Gras und erzählte ihr von Joseph, von dem ehemaligen Major und davon, dass es mehr als genug Arbeit gebe, mit der er etwas Geld verdienen könnte. »Ich kann als Kesselflicker arbeiten und auf den Feldern.« Er schwieg einen Moment. »Und für den Doktor«, setzte er dann hinzu.  
    »Du denkst doch nicht etwa daran, das zu tun?«  
    »Doch«, sagte er. »Das denke ich.«  
    Moira schluckte eine heftige Erwiderung hinunter. Es war Duncans Entscheidung, und sie war viel zu glücklich, um sich darüber aufzuregen. Und vielleicht hatte er sogar recht, schließlich sollte man sich McIntyre nicht noch mehr zum Feind machen.  
    McIntyre hatte in eine Trennung eingewilligt und sich bereit erklärt, Moira einen kleinen monatlichen Betrag zu zahlen, schließlich war sie noch immer seine Ehefrau und er daher von Gesetzes wegen verpflichtet, für sie zu sorgen. Auch wenn diese Regelung ein gewisses Maß an finanzieller Sicherheit bot, behagte sie weder ihr noch Duncan. Am liebsten hätte Moira nie wieder etwas mit McIntyre zu tun gehabt. Aber eine andere Lösung war nicht möglich. McIntyre würde nie den Skandal einer Scheidung auf sich nehmen, die noch dazu langwierig und äußerst kostspielig war, sofern sie überhaupt Aussicht auf Erfolg hatte. Aber hatte nicht schon D’Arcy Wentworth unverheiratet mit einer ehemaligen Sträflingsfrau zusammengelebt

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