Das Lied der schwarzen Berge
seiner handgewebten Wolljacke hingen Troddeln herab, und die flache Mütze, die er auf dem krausen Haar trug, zierten breite, auf einem Teppichstuhl gewebte Bänder mit farbenprächtigen Mustern. Eine dicke Wollquaste fiel bis in den Nacken hinab und wippte beim Gehen lustig hin und her.
Vor dem Hause Suhajas band er die Lämmer an der Bank fest und trat dann ins Haus, hoch aufgerichtet, stolz, ein Sohn der schwarzen Berge mit dem Adel des freien Menschen.
Fedor und Marina saßen am Tisch und schnitten Speck, den sie für den Winter einsalzen wollten. Rosa stand am Herd und reihte Tabakblätter auf eine lange Schnur. Sie sollten unter dem Hausdach aufgehängt werden und dort trocknen. Als die Tür aufging, blickte sie kurz auf und beugte sich dann wieder gleichgültig über den Stapel Blätter. Fedor legte das lange Messer hin und wischte die fettigen Finger an der Hose ab.
»Jossip?« fragte er erstaunt. »Im Festkleid? Wo willst du hin?«
»Zu dir, Fedor.« Der Schäfer setzte sich an den Tisch und legte die vier Felle auf die Erde. »Es ist einsam in den Bergen«, sagte er langsam. »Zu einsam für einen jungen Mann.« Er sah kurz hinüber zu Rosa und fuhr fort zu sprechen. »Ich habe mir eine Hütte gebaut. Fedor. Eine schöne, feste Hütte aus dicken Stämmen. Und einen Ofen habe ich gemauert, einen großen, warmen Ofen. Ich habe Felle genug und eine eigene Herde von 30 Schafen. Sie können mich ernähren, sie geben mir Milch und Butter und Käse und Fleisch. Ich bin nicht arm, Fedor. Und doch bin ich arm, weil ich einsam bin. Das ist nicht gut, denn Jahr um Jahr vergeht, und die besten Jahre nahm die Einsamkeit.« Er stockte und beugte sich zu Fedor vor. »Ich möchte Rosa zu mir holen, Fedor.«
Am Herd war es still geworden. Das Rascheln der Blätter war verstummt. Rosa stand im Licht, das durch ein Fenster grell in den Raum fiel. Ihr schwarzes Haar glänzte wie Seide.
»Nein!« sagte sie laut. Nur nein, sonst nichts, aber Jossip zuckte unter diesem Wort zusammen und kniff die Augen etwas zu.
»Sie weiß nicht, was sie sagt, Fedor«, sagte er entschuldigend. »Sie weiß nicht, daß du sie mir und meinen Eltern schon in der Wiege versprochen hast. Wir haben einen Pakt, Fedor, nicht wahr … es ist das Gesetz der Berge, daß ein Wort gilt bis zum Tod. Stimmt das, Fedor?«
»Ja, Jossip.«
»Du hast mir Rosa versprochen. Jetzt komme ich, sie zu holen. Es wird eine große, eine lustige Hochzeit werden. Ich werde zehn Schafe schlachten und drei Schweine. Am Spieß wollen wir sie braten, und 30 Kannen Wein werde ich verschenken. So reich bin ich, Fedor!«
Suhaja sah hinüber zu Rosa. Sie hatte sich nicht wieder gerührt, es war, als sei sie versteinert. Marina lächelte glücklich vor sich hin. Er ist reich, dachte sie einfältig. Und er will Rosa haben. Rosa wird ein schönes Leben führen, schöner, als ich es bei Fedor hatte.
Sie zuckte auf, als sie Rosas Stimme hörte, laut, hell, eine Stimme, die sie bei ihrer Tochter noch nie vernommen hatte.
»Ich gehe nicht mit Jossip!« sagte sie laut. »Ich liebe ihn nicht!«
»Du bist mir versprochen, Rosa«, entgegnete Jossip sanft.
»Ich wurde nicht darum gefragt.«
»Natürlich nicht. Du lagst noch in der Wiege, und ich hütete die Schafe und schnitzte Flöten. Dein Vater Fedor und mein Vater waren Freunde, und sie versprachen uns.«
»Man kann keinen Menschen verkaufen! Es ist ein altes und ein schlechtes Gesetz!« Und plötzlich stieß sie mit dem Fuß auf und schrie: »Und ich will nicht! Nein!«
Fedor war bleich geworden. Er hob die Hände und sah dabei auf die schönen Felle, die vor seinen Füßen lagen. Er dachte an die dreißig Lämmer, die Jossip in den Bergen hielt, gute, fette Lämmer mit dichtem Pelz. Und eine feste, aus dicken Stämmen gefügte Hütte hatte er sich gebaut, einen großen Herd – was wollte sie mehr?! Er wischte mit der Hand herrisch durch die Luft und sagte laut:
»Es ist abgemacht, Rosa! Ein Wort ist ein Wort! Du wirst Jossip heiraten!« Er bückte sich, um die Felle vom Boden zu nehmen. Wenn er sie aufnahm und auf seinen Tisch legte, war dieses Wort besiegelt. Die Annahme des Werbegeschenkes bedeutet ein Versprechen, das fest und heilig ist wie das Wort des Popen.
»Heb' sie nicht auf!« schrie Rosa grell. Sie stürzte vom Herd zu ihrem Vater und riß ihm die Felle aus der Hand. Vor Jossip blieb sie stehen und warf das Bündel vor seine Füße. »Geh!« sagte sie hart. »Ich heirate nie einen Schäfer …«
»Ach!«
Weitere Kostenlose Bücher