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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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steifbeinig von der langen Fahrt hinüber zur Kantine und bestellten einen Slibowitz. »Aber einen doppelten!« schrie der Fahrer. »Und bis zum Rand, sonst bumst es!«
    In seinem Zimmer packte Meerholdt seine Mappe aus und legte seine Papiere und Aufzeichnungen auf den breiten Tisch. Er vermied es, nach der ersten überschwenglichen Begrüßung Elena weiter anzusehen oder sie gar zu umarmen und zu küssen. Er ordnete mit einer ihm sonst fremden Gründlichkeit die Zeichnungen und Vermessungsrechnungen und beugte sich dann über die große Generalstabskarte des Gebietes, in dem die neuen Talsperren geplant waren. Sein Finger zeigte auf eine weiße Stelle inmitten der Berge.
    »Hier war ich, Elena … Hier muß es sein.« Sie trat hinter ihn, legte den Arm um seinen Hals und beugte sich neben seinem Kopf über die Karte. Ihre blonden Haare kitzelten an seiner Wange. Sie sah seinem Finger nach, der einen kleinen Kreis auf der Karte beschrieb. Plötzlich nahm sie den Finger und küßte ihn.
    »Ich liebe dich, Sascha«, flüsterte sie. »Ich habe es nie so gewußt wie in diesen Tagen, wo keiner sagen konnte, wo du warst und ob du noch lebst. Ich habe in den Nächten geschrien, ich habe gebetet, ich habe geweint, ich habe lauter dummes Zeug getan … ich weiß gar nicht mehr, was ich alles getan habe. Ich war so verzweifelt, Sascha … weil ich dich so liebe …«
    Er legte den Arm um ihre Schulter und beugte sich wieder über die Karte. »Nun bist du wieder glücklich, Elena.«
    »Und ich lasse dich nie wieder allein in die Berge!«
    Meerholdts Gesicht wurde ernst. »Du wirst es müssen, Elena. Ich baue einen Damm … hier, wo mein Finger liegt! In diesen Felsenschluchten gibt es ein winziges Dorf … Zabari heißt es. Es liegt in einer ungewöhnlich wasserreichen Gegend, von dem keine Karte etwas sagt. Zufällig habe ich es entdeckt, weil mich ein Hirte – Jossip heißt er – in dieses Dorf führte. Ein kleines, rundes Tal kann ohne Schwierigkeiten als Staubecken gefüllt werden, wir brauchen nur den Ausgang mit einer 25 Meter hohen Mauer zu verschließen.« Er blickte auf und sah die hellen Augen Elenas nahe vor sich. Er küßte sie, ehe er weitersprach. »Ich habe selten eine so günstige Lage gesehen. Wenn dein Vater und der technische Beirat die Genehmigungen geben, muß ich wieder zurück in diese schwarzen Berge …«
    Elena nickte. In ihrer Kopfbewegung lag eine Unabwendbarkeit. »Ich gehe mit!« sagte sie fest.
    »Das ist unmöglich!«
    Ralf schob die Karte zur Seite. »Es ist eine Gegend, in der du nicht leben kannst.«
    »Wenn du es kannst, kann ich es auch!«
    »Du wirst auf Gras schlafen müssen. Es gibt nur Hammelfleisch und Milchsuppen. Der Boden ist Stein, die Umgebung nackte, kahle Felsen …«
    »Wenn du auf Gras schläfst und Hammelfleisch ißt, kann ich es auch.«
    »Du würdest unglücklich werden … nach drei Tagen schon!«
    Elena umarmte ihn stürmisch. »Nicht, wenn du bei mir bist, Sascha«, sagte sie heiß.
    »Es ist keine Gegend für Frauen, Elena.« Er versuchte, neue Argumente zu finden, ihr die Trostlosigkeit von Zabari zu schildern, aber sie legte ihre schmale, nach Rosenparfüm duftende Hand auf seinen Mund und küßte ihn auf die Schläfe.
    »Leben in Zabari keine Frauen, Sascha? Ist es ein Männerdorf?«
    »Nein«, erwiderte er zögernd. »Natürlich leben Frauen dort. Aber sie sind dort geboren, sie sind ein Teil dieser rauhen Natur, sie sind hart wie die Felsen, zwischen denen ihre Herden weiden. Du würdest unglücklich werden, Elena.«
    Er dachte an Rosa, an ihre naturhafte Wildheit, die ausbrechen würde, wenn sie Elena an seiner Seite sah. Ihn schauderte innerlich bei dem Gedanken, wie elementar der Zusammenprall sein mußte, wenn sich zwei Welten wie Rosa und Elena begegneten.
    »Es geht nicht«, sagte er fest, so, als ob er damit das Gespräch abbrechen wollte. »Wenn der Damm gebaut ist, Elena, wenn wir ihn einweihen, wenn wir neue Straßen gelegt und die Einsamkeit erschlossen haben, dann hole ich dich nach Zabari.«
    Und während er es sagte, wußte er, daß auch dies eine Lüge war.
    Vier Monate später lagen die Pläne Rolf Meerholdts wieder auf seinem Tisch in Foca. Die Regierung in Belgrad, der Ausschuß für Talsperren, die Baudirektion in Zagreb und Sarajevo hatten die Pläne geprüft und den Auftrag zum Bau erteilt. Von Zagreb, Sarajevo, Titograd, Belgrad und Skoplje rückten die Baukolonnen auf großen Lastwagen und Raupenschleppern nach Foca.
    Sechshundert Arbeiter

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