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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Sommerurlaub auf Ithaka. Carol stand auf, nahm ihre Unterlagen an sich und ging zum Hauptbüro des Morddezernats.
    Es gab nur noch Stehplätze, als sie ankam. Detectives, die ihren Arbeitsplatz in anderen Räumen hatten, suchten noch nach günstigen Positionen in der Menge. Zwei ihrer Detective Constables machten ihr Platz, einer bot ihr seinen Stuhl an. »Verdammte Arschkriecherin«, sagte jemand deutlich hörbar am anderen Ende des Raums. Carol konnte nicht erkennen, wer es gewesen war, aber es war, wie sie sah, keiner aus ihrem Team. Sie lächelte den Detective Constable an, der ihr den Stuhl angeboten hatte, schüttelte aber ablehnend den Kopf, es vorziehend, sich neben Don Merrick, der sie mit einem mürrischen Kopfnicken begrüßte, auf die Kante seines Schreibtisches zu setzen. Die Uhr an der Wand zeigte neun Uhr neunundzwanzig. Es roch im Raum nach billigen Zigarillos, Kaffee und regennassen Mänteln.
    Ein anderer Inspector kam auf Carol zu, aber ehe sie miteinander reden konnten, ging die Tür auf, und Tom Cross stürmte in den Raum, gefolgt von John Brandon. Der Superintendent machte einen beunruhigend freundlichen Eindruck. Die Menge teilte sich automatisch vor ihm und Brandon, so daß für die beiden der Weg zur Wandtafel am entgegengesetzten Ende des Raums frei wurde.
    »Guten Morgen, Kollegen«, sagte Cross freundlich. »Und Kolleginnen«, fügte er als offensichtlich nachträglichen Einfall hinzu.
    »Es gibt niemanden in diesem Raum, der nicht weiß, daß wir vier ungelöste Morde in der Stadt haben. Die ersten drei Opfer konnten wir inzwischen identifizieren – Adam Scott, Paul Gibbs und Gareth Finnegan. Bei der vierten Leiche sind wir noch nicht soweit. Die Jungs vom pathologischen Labor versuchen das Gesicht des Mannes so hinzukriegen, daß die Pferde nicht scheuen, wenn das Foto in der Presse veröffentlicht wird.« Cross atmete tief ein. »Wie Sie ebenfalls alle wissen, gehöre ich nicht zu den Männern, die über das hinaus, was die Beweislage hergibt, theoretisieren. Und ich habe offiziell lange gezögert, diese Morde miteinander in Verbindung zu bringen, weil dann abzusehen war, daß eine Medienhysterie über uns hereinbrechen würde. Wenn ich die heutigen Zeitungen lese, finde ich meine Befürchtungen bestätigt. Dennoch, im Hinblick auf den letzten Mord müssen wir unsere Strategie revidieren. Gestern nachmittag habe ich angeordnet, daß die Ermittlungen in den vier Monaten zu einer einzigen großen Untersuchung zusammengefaßt werden.«
    Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Don Merrick flüsterte Carol ins Ohr: »Er wechselt seine Lieder öfter als eine Musikbox.«
    Sie nickte. »Ich wollte, er würde seine Socken ebenso oft wechseln.«
    Cross blickte wütend in ihre Richtung. Er konnte die Bemerkungen nicht gehört haben, aber schon allein die Tatsache, daß Carol die Lippen bewegte, reichte aus, seinen Zorn zu erregen. »Ruhe bitte«, sagte er dann streng. »Ich bin noch nicht fertig. Es gehört nicht besonders viel kriminalistischer Spürsinn zu der Feststellung, daß diese Räumlichkeiten zu klein für uns
und
die normalen Aktivitäten der Polizei sind, und sobald wir heute hier fertig sind, werden wir umziehen und diese Sonderermittlung vom früheren Dienstgebäude in der Scargill Street aus durchführen. Einige von Ihnen werden sich erinnern, daß das Haus vor sechs Monaten praktisch eingemottet worden ist. Letzte Nacht war dort ein Team von Instandsetzungsarbeitern, Computergenies und Fachleuten der British Telecom tätig, um es zeitweise wieder in einen operativen Status zu versetzen.«
    Ein allgemeines Murren war zu vernehmen. Niemand hatte eine Träne vergossen, als das alte viktorianische Gebäude in der Scargill Street aufgegeben wurde. Zugig, unbequem, viel zuwenig Parkplätze und Damentoiletten, dafür aber Zellen im Übermaß, war es zum Abriß vorgesehen. An seiner Stelle sollte ein neues städtisches Gebäude errichtet werden. Aber dann war, typisch für solche Projekte, nicht genug Geld zur Realisierung im Etat aufzubringen gewesen. »Ich weiß, ich weiß«, sagte Cross und erstickte so sämtliche Proteste. »Aber wir sind dort alle unter einem Dach, so daß ich jeden von Ihnen im Auge behalten kann. Ich bin der Leiter der Gesamtoperation, Chef des Sonderkommandos, wenn Sie so wollen. Sie werden alle Fahndungsergebnisse an Inspector Bob Stansfield und Inspector Kevin Matthews melden und ihnen Ihre Berichte vorlegen. Die beiden werden Ihnen nachher die einzelnen Aufträge

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