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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Minuten entfernt, und ich war nahe bei ihm, als er sich der Menge der wartenden Leuten anschloß. Die Straßenbahn kam ein paar Minuten später, und er schob sich im Fluß der anderen Passagiere in den Wagen. Ich ließ mich ein wenig zurückfallen und einige Leute zwischen uns einsteigen, um jedes Risiko zu vermeiden.
    Er schaute sich suchend um, als er im Wagen war. Ich wußte genau, warum er das tat. Als sich ihre Blicke trafen, winkte Adam und drängte sich durch die Menschen, bis sie beisammenstanden und sich auf den Weg in die Stadt geistlos unterhalten konnten. Ich beobachtete, wie er sich vorbeugte. Ich kannte jede Regung auf seinem Gesicht, jeden Teil, jede Bewegung seines schlanken, muskulösen Körpers. Sein Haar, die kleinen, vom Waschen feuchten Locken im Nacken, seine rosige Gesichtshaut, die vom Rasieren noch glänzte, den Duft seines Aramis-Rasierwassers. Er lachte laut über irgend etwas, und ich spürte den sauren Geschmack von Galle in meinem Mund – den Geschmack des Verrats, des Treuebruchs. Wie konnte er das nur tun? Ich hätte es sein sollen, der da mit ihm plauderte, sein Gesicht zum Leuchten brachte, dieses wunderschöne Lächeln auf seine warmen Lippen zauberte. Wenn mein Entschluß je ins Wanken geraten wäre, der Anblick der beiden, wie sie ihr Treffen genossen, hätte meine Entschlossenheit zu Granit werden lassen.
    Wie üblich stieg er am Woolmarket Square aus. Ich folgte ihm im Abstand von etwa zehn Metern. Er drehte sich um und winkte seiner Süßen, die bald ohne ihn auskommen mußte, noch einmal zu. Ich wandte mich schnell ab und tat so, als ob ich die Fahrzeiten der Straßenbahn studieren würde. Ich wollte auf keinen Fall, daß er mich bemerkte und erkannte, daß ich ihm nachging. Ich wartete ein paar Sekunden, dann nahm ich die Verfolgung wieder auf. Er bog links in die Bellwether Street. Ich sah seinen dunklen Haarschopf im Gewühl der Leute auf dem Gehweg, die den Büros oder Läden zustrebten, in denen sie arbeiteten, immer wieder auftauchen. Adam nahm eine Abkürzung nach links durch eine Gasse, und ich erreichte die Crown Plaza gerade noch rechtzeitig, um ihn im Inland Revenue Building, in dem er sein Büro hatte, verschwinden zu sehen. Zufrieden stellte ich fest, daß alles wie an einem ganz normalen Montagmorgen ablief, überquerte den Platz, vorbei an dem geduckten Bürogebäude aus Glas und Metall, und ging in das renovierte Einkaufszentrum im viktorianischen Stil.
    Ich hatte viel Zeit für meinen Mord. Dieser Gedanke ließ mich lächeln.
    Ich begab mich in die Zentralbibliothek, um ein paar Studien zu betreiben. Sie hatten nichts Neues hereinbekommen, also entschloß ich mich zu einer alten Lieblingslektüre,
Mord als
Begleiter.
Dennis Nilsens Fall hört nie auf, mich gleichzeitig zu faszinieren und abzustoßen. Er ermordete fünfzehn junge Männer, ohne daß je einer von ihnen auch nur vermißt worden wäre. Niemand ahnte etwas davon, daß da ein schwuler Serienmörder unter den Obdachlosen und Entwurzelten wütete. Er freundete sich mit solchen Leuten an, nahm sie mit zu sich nach Hause, gab ihnen was zu trinken, aber ansonsten konnte er nur etwas mit ihnen anfangen, wenn der Tod sie nach seiner Vorstellung »vervollkommnet« hatte. Dann, und nur dann, vermochte er echte Gefühle für sie zu heben, sie in den Armen zu halten, Sex mit ihnen zu haben. Nun, das ist natürlich irgendwie krankhaft. Die Opfer hatten nichts getan, dieses Schicksal zu verdienen; sie hatten keinen Verrat, keinen Treuebruch begangen.
    Der einzige Fehler, den Nilsen machte, war seine Methode, die Leichen zu beseitigen. Es sieht fast so aus, als ob er im Unterbewußtsein gewünscht hätte, überführt zu werden. Sie zu zerstückeln und das Fleisch dann zu kochen, das ist ja noch ganz in Ordnung, aber es anschließend in der Toilette hinunterzuspülen? Es muß für einen Mann mit seiner Intelligenz doch klar abzusehen gewesen sein, daß der Abfluß irgendwann solche Massen nicht mehr verkraften konnte. Ich habe nie verstanden, warum er das Fleisch nicht einfach an seinen Hund verfüttert hat.
    Aber es ist ja nie zu spät, aus den Fehlern anderer zu lernen. Die groben Schnitzer der meisten Mörder erstaunen mich immer wieder. Es bedarf keiner großen Intelligenz, um zu verstehen, wie die Polizei und die Gerichtsmediziner ihre Arbeit verrichten, und so kann man dementsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen, insbesondere auch, weil die Männer und Frauen, die ihr Geld mit der Überführung von

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