Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
nun wahrhaftig nicht mehr, den Kopf zu heben, denn alles das, was er getan hatte, musste Lord Ivo vorkommen, als sei er ein heimatloser Streuner, der auf die Wohltaten seiner Tochter angewiesen war. Dass er alles das getan hatte, um ein neues Leben zu beginnen, war schwer zu erklären, die Tatsachen, so wie sie eben ans Licht gezerrt worden waren, sprachen eine andere Sprache.
    »Ihr lebt vom Handel?«
    »Ja, my Lord. Tuche aus meiner Heimat sind begehrt.«
    »Und Falken.«
    »Falken sind kostbares Gut, my Lord.«
    »Meinem Sohn habe ich die Hälfte meines Hauses übergeben, Falkner. Meine Tochter erhält die andere Hälfte. Seid Ihr willens, die Verantwortung dafür zu übernehmen?«
    John schwieg. Er war sich nicht ganz sicher, ob er richtig verstanden hatte, was Lord Ivo gerade gesagt hatte.
    »Falkner?«, donnerte es, und er zuckte zusammen.
    »Ja, my Lord?«
    »Die Teilhaberschaft ist ihre Mitgift.«
    »Ich brauche …«
    »Weigert Ihr Euch, Schuft, meine Tochter zu heiraten?«
    Uhhh …
    »Ich … ähm …«
    »Ihr schmarotzt seit Wochen in ihrem Haus, esst ihre Vorräte auf, schlaft in ihrer Kammer, und jetzt wollt Ihr die Folgen nicht tragen, Falkner?«
    Noch nie war John so um Worte verlegen. Er stammelte nur noch.
    »My Lord, ich … es ist mein größter … ich will Eure Tochter …«
    »Mitsamt der Mitgift, Kerl?«
    Vielleicht half ein einziges Wort?
    »Ja.«
    »Dann steh endlich auf und komm her, mein Sohn.«
    Halb benommen kam John auf die Beine und machte einen Schritt auf den Allmächtigen zu. Der schmetterte seinen Stock in die Ecke, breitete die Arme aus und zog ihn in seine Umarmung.
    »Oh my god. My Lord Vater«, war alles, was er noch sagen konnte, dann lehnte er seinen Kopf an die schiefergraue Seidenschulter.
    »Vater reicht, Sohn.«
    »Danke, Vater. Ich werde Euer Vertrauen nie missbrauchen.«
    »Und gewöhnlich hältst du dein Wort. Ich weiß, John.«
    Lord Ivo ließ ihn los, als eine sanfte Hand sich auf seinen Arm legte und er in das Gesicht von Lady Almut schaute. Er schaute lange und fand in ihrem Antlitz das Licht, das auch in ihrer Tochter leuchtete.
    »Du hast es jetzt hinter dir. Und du hast dich wacker gehalten. Willkommen, mein Sohn«, sagte sie leise, und seine Augen fühlten sich heiß an.
    »Mutter Almut.«
    »›Denn wen der Herr liebt, den weist er zurecht, und hat doch Wohlgefallen an ihm wie ein Vater am Sohn‹, wie der weise Salomo spricht«, sagte sie.
    »Und er gebot auch: ›Ein weiser Sohn liebt Zucht; aber ein Spötter hört selbst auf Drohen nicht.‹ Und Sirach empfahl: ›Wenn sein Verstand abnimmt, sieh es ihm nach und beschäme ihn nicht in deiner Vollkraft!‹«
    Es bildeten sich einige Fältchen um die Augen des Herrn, und er nickte beifällig. Frau Almut aber grinste plötzlich.
    »Ja, ja, ein alter Trottel wie Ihr habt das verdient. John weiß die Waffe der Zunge zu führen.«
    »Gehört schon zur Familie«, brummelte der Allmächtige zufrieden. »Ihr werdet in zwei Wochen heiraten. So lange, sagt mein Weib, braucht sie, um eine standesgemäße Hochzeit auszurichten. Sende Botschaften an deine Familie und Freunde. Es wird, so fürchte ich, ein gewaltiges Fest werden.«
    Diese Befürchtung hatte John auch. Und sie erfüllte sein Herz mit Freude und Bangen.

44. Kapitel
    L ore flocht blaue und silberne Bänder in die struppige Mähne des Messveechs und summte leise dabei. Beinahe eine Stunde lang hatte sie die Eselin gestriegelt, alle Kletten und Klümpchen aus dem grauen Fell entfernt und dem geduldigen Langohr dabei Apfelschnitzchen ins weiche Maul geschoben. Nur zweimal hatte die Jennet ihr am Kittelsaum gezupft, ansonsten hatte sie die Prozedur willig über sich ergehen lassen.
    »Ist ene jroße Tag, Messveech. Musst du hübsch aussehen.«
    Nicht nur das Tier sollte aufgeputzt werden, auch für sie, Lore, lag ein neues Gewand bereit. Ein ganz, ganz neues aus schimmernder Seide. So was Wundervolles hatte sie noch nie besessen.
    Und darum war sie auch diesmal ohne Murren bereit, in die Bütt zu steigen. Und sich richtig mit Wasser zu waschen. Hilda hatte sogar ein paar Tropfen Lavendelöl hineingetan. Und ihre kurz gerupften Haare hatte die Jungfer Leocadie mit einem Scherchen geschnitten, und nun standen sie in kurzen Locken um ihren Kopf.
    Sie war jetzt eine Jungfer. Und für heute sogar eine Ehrenjungfer.
    Manchmal konnte sie es nicht fassen.
    Das letzte Band war geknüpft, und Lore verließ den Stall, um sich dem eigenen Aufputz zu widmen. Die Jungfern

Weitere Kostenlose Bücher