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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wurde.«
    »Das ist Diebstahl!«, bemerkte Marian kurz und nickte. »Fahr mit dem Strafgericht fort.«
    Cedric schrumpfte noch mehr in sich zusammen, Lucien jedoch wollte aufbegehren. John unterband den Versuch der Rechtfertigung und befahl: »Cedric, neben dem Stall steht ein Haselbusch. Geh und schneide eine lange, biegsame Gerte. Lucien, folge mir.«
    Cedric fühlte sich sichtlich unwohl, befolgte aber den Befehl, und dann wurde Lucien von Johns harter Hand gezwungen, sich über Jennets Krippe zu lehnen und sein Hinterteil zu entblößen. Auf leisen Füßen versammelte sich das Hauswesen um die Richtstätte und wurde Zeuge, wie der junge Engländer die Strafe vollzog. Lucien erfreute das Publikum durch lautes Wehgeschrei, blumige, wenn auch für die des Welschen nicht Mächtigen unverständliche Flüche, die Denise die Röte in die Wangen trieben, und schließlich herzzerreißendes Geheul.
    »Es reicht«, sagte John nach dem zwanzigsten Schlag, ließ den Jungen los und wies Cedric zu nämlicher Haltung an. Diesmal führte er die Gerte, und man war sich allenthalben einig, dass der Jüngling, der ohne Mucks die Schläge ertrug, ihrer Achtung würdig war.
    »Drei Tage Wasser und Brot. Ihr werdet im Stehen essen müssen«, sagte John. »Sollte mir noch einmal ein derartiges Benehmen zu Ohren kommen, wird die Strafe weit härter ausfallen. Mir aus den Augen!«
    »Zu welchem Pfandleiher hat der welsche Unhold die Pfanne gebracht?«, erkundigte sich Marian bei Frieder, der neben ihm stand.
    »Zu Ambrosio di Como. Ausgerechnet.«
    »Geh mit Hilda zu ihm und löse sie aus. Ich gebe dir das Geld dafür mit.«
    »Gleich heute Nachmittag, Herr Marian. Und – darf ich dem Pfandleiher Angst machen?«
    »Nein, Frieder. Das übernehmen John und ich.«
    »Darf ich wenigstens dabei sein?«
    »Was bist du so rachsüchtig?«
    »Der Schmierlappen hat Frau Alyss beschimpft und einen Fluch über sie geworfen.«
    »Den wird er Wort für Wort zurücknehmen, das verspreche ich dir.«
    Marian blieb noch zum Essen bei seinen Freunden, bat Catrin, sich um Trude de Lipa zu kümmern, und kehrte dann zu seinen Eltern zurück. Hier erwartete ihn der Bericht der Torwachen, die sein Vater beauftragt hatte, ihn von ungewöhnlichen Frachten in Kenntnis zu setzen, die auf Alyss’ Verbleib hinweisen konnten. Ein mühseliges Unterfangen, denn was ungewöhnliche Frachten waren, darüber gingen die Meinungen auseinander. Der eine berichtete von einer toten Kuh, der andere von zwei aufgeputzten Weibern, der Nächste hatte Säcke mit Spelzen zu vermelden, in denen sich zwei Ratten paarten. In einem Fass mit Jauche war ein Kohlkopf gefunden worden, und ein nasser Sack, der heftig zappelte, hatte frisch gefangene Lachse enthalten. Auch eine in Decken gehüllte Leiche hatte es gegeben – ein uraltes Weib, das der Enkel in seinem Kirchspiel vor den Toren der Stadt beisetzen lassen wollte.
    Darüber wurde der Nachmittag zum Abend, und dennoch waren sie auf ihrer Suche nach der Vermissten nicht weitergekommen.

10. Kapitel
    W ieder war die Frau zu ihr gekommen und hatte ihr Essen und Wein gebracht. Mit einem ungewöhnlichen Heißhunger war Alyss über das Mahl hergefallen, auch wenn sie sich weiterhin wie betäubt fühlte. Duretta, so wollte das Weib genannt werden, plauderte munter über das Wetter und darüber, wie gut der Regen für die Felder war, dass der Rhein jedoch schon über die Ufer getreten war und man die Überschwemmung der Weiden befürchtete. Dann schnalzte sie missbilligend mit der Zunge.
    »Das Gewand ist ganz zerknittert, liebste Alyss. Wir sollten es ausziehen und lüften. Kommt, ich helfe Euch.«
    Da sie sich noch immer ungewöhnlich schwach fühlte, ließ sie es sich gefallen. Aber die gierigen Finger der Frau empfand sie als unangenehm. Dankbar zog sie die warme Decke über die dünne Cotte, die sie jetzt nur noch trug.
    Kleider … Ein flüchtiger Gedanke huschte ihr durch den Kopf, und sie bemühte sich, ihn festzuhalten. Kleider. Und der Ring. Der Siegelring mit dem Falken.
    Sie klammerte sich an die Erinnerung.
    John.
    In ihren wirren Träumen hatte sie ihn oft gesehen. Und nicht nur das, sie hatte …
    Die Röte stieg ihr in die Wangen.
    Sie hatte sehr wirre Träume von sich und John gehabt. Lustvolle gar.
    Kleider.
    Die hatten darin keine Rolle gespielt.
    Kleider.
    »Wo sind meine Kleider, Duretta?«
    Wieder wollte ihre Zunge nicht recht gehorchen, und ihre Besucherin hatte sie wohl nicht verstanden. Die plapperte etwas von

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