Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
zwei Köpfe kleineren Mann.
»In der Tat seltsam.«
»Aber wie, aber was, aber warum?« Ambrosio wedelte mit den Händen.
»Ich bin zwar ein Kaufmann und führe ein Siegel, doch Verluste habe ich nicht. Den Siegelring mit dem Falken gab ich im Herbst Mistress Alyss zur Aufbewahrung, damit sie während meiner Abwesenheit meine Geschäfte führen konnte. Ich halte sie für eine ehrenwerte Frau, die mein Siegel nicht leichtfertig versetzen würde.«
»Frau Alyss? Die Weinhändlerin? Kein ehrenwertes Weib, Herr, sondern eine Betrügerin, ja, ja. Sie begleicht nicht die Schulden, sie hat mich des Hauses verwiesen, mich auf zwei Fässern verdrecktem Salz sitzen lassen …«
»Weshalb Ihr ihr Siegel, Silbergürtel und Gewand gestohlen habt?«
»Nein, nein, nein.«
Der Pfandleiher flatterte heftig mit den Händen.
»Doch, doch, doch«, sagte Frieder und trat näher an den Mann. »Wo ist Frau Alyss? Was habt Ihr ihr angetan?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht!«
Ambrosio starte sie mit weit aufgerissenen Augen an.
»Ihr habt sie beschimpft und verflucht, Ihr hattet ihr Gewand und ihren Schmuck in Eurem Besitz, und Frau Alyss ist verschwunden.«
Schweiß perlte über Ambrosios fettig glänzendes Gesicht, als auch John mit drohender Miene einen Schritt auf ihn zu machte.
»Woher habt Ihr das Gewand?«
»Ein … ein Witwer …«
»Name, Aussehen, Stand!«, grollte John.
»Weiß nicht, weiß nicht …«
Er packte Ambrosio an seinem Wams und hob ihn auf die Zehenspitzen.
»Ich mag ein Kaufmann sein, aber ich habe meine Ware auch schon mit meinem Leben verteidigen müssen, pawnbroker . Erinnert Euch, sonst dürft Ihr dasselbe tun.«
»Ihr droht mir?«, quiekte Ambrosio.
»So ist es!«
»Antwortet, Ambrosio«, sagte Frieder und grinste böse. »Was Master John von Euch übrig lässt, trete ich sonst in den Dreck.«
»Ein Mann war’s. Ein großer, starker. Hat keinen Namen genannt. Hat er nicht. Weiß nicht, wie er heißt.«
»Aussehen?«
»B… bullig. Derb. Ohrenkappe, grau, Kittel, braun, Stiefel, schmutzig. Ein Ohr wie Blumenkohl, Nase gebrochen. Schwielige Hände.«
John ließ das Wams los.
»Er hatte das Kleid?«
Eifriges Nicken.
»Den Gürtel und den Siegelring?«
»Auch, auch, auch. Hab ihm Silber dafür gegeben. Hier ist es vermerkt, hier in dem Buch. Hier, hier!«
»Und Ihr habt nicht gefragt, woher ein derber Knecht solche Gegenstände hat?«
»Ist nicht meine Aufgabe. Ist sie nicht.«
Das mochte stimmen, dachte John. Immerhin hatten sie jetzt eine Spur.
»War der Mann früher schon mal bei Euch?«, fragte Robert mit ruhiger Stimme, was die Angst des Pfandleihers etwas milderte. Er wischte sich mit dem Hemdärmel über das nasse Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Nein, ich kenne ihn nicht. Wär mir aufgefallen, das mit dem Ohr.«
»Was habt Ihr wegen der Salzfässer unternommen?«
Wieder schien heftiges Unbehagen den Mann zu packen.
»Haben Ärger gemacht. Viel Ärger, meine Herren. Beschimpft hat man mich, geschmäht hat man mich, des Betrugs verdächtigt.«
Seine Hände rangen sich umeinander.
»Sicher. Und wo sind sie jetzt?«
John sah sich in der Verkaufs- und Lagerhöhle um.
»Hab sie verkauft. Billig. Zehn Gulden habe ich drauf geliehen, Pfennige habe ich bekommen.«
»Einem blauäugigen Händler angedreht, so so«, murmelte John.
»Was soll ich tun, was tun? Ich muss doch leben. Ich habe Frau und Kinder. Hungrige Kinder. Fünf Stück. Ich helfe denen in Not, aber ich brauche Brot und Bett. Ich muss leben, doch, doch.«
»Wie oft hat man Euch schon verklagt, Ambrosio?«
Hilfloses Händeflattern.
»Tut mir das nicht an. Tut es nicht. Hier, hier, nehmt das.«
Er wühlte in einer Lade und hielt Robert eine glitzernde Fibel hin.
»Was ist das?«
»Ein Schmuckstück, das nicht ausgelöst wird. Wertvoll, Herr, mit echten Edelsteinen.«
Es war ein hübsches Glitzerding, bemerkte John, doch wertvoll war es nur für die Besitzerin. Rheinkiesel, so hübsch sie geschliffen waren, galten nicht als Edelsteine.
»Bestechung!«, erklärte er kühl.
»Nein, nein, nein. Ich will es verkaufen, Herr. Ihr kennt sicher ein hübsches Weib. Macht ihm eine Freude.«
»Statt Euch der Wache zu melden?«
»Statt mich unglücklich zu machen. Ich hatte Verluste, Herr. Durch den Gatten der Frau Alyss. Hatte ich, wirklich.«
»Tja, es sind viele auf meinen Bruder reingefallen«, grummelte Robert und nahm die Fibel in die Hand, um sie genauer zu betrachten.
Der Pfandleiher war zweifellos
Weitere Kostenlose Bücher