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Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Grund: Mit den spitzen Klingen würde sie der säuselnden Duretta die Kehle durchstechen.
    Wieder trottete sie um das hohe Bett.
    Ein Fädchen aus dem Laken erregte ihre Aufmerksamkeit.
    Fäden – ihre Mutter hatte einst in den trübsten Tagen ihres Lebens das Brettchenweben gelernt. Sie selbst hatte sich auch einmal daran versucht, aber außer heillosem Geknäuel war nichts dabei herausgekommen. Flechten hingegen konnte sie recht gut.
    Alyss beugte sich vor, um das Laken ein Stück hervorzuziehen. Es war aus gutem, starkem Leinen gewebt, aber der Saum war mit nachlässigen Stichen geheftet. Das Fädchen ließ sich aus dem ausgefransten Stück Stoff herausziehen. Ein nächstes auch. Noch mehr Fäden folgten, und sorgsam wickelte sie sie auf. Dann untersuchte sie die Matratze und fand eine Stelle, aus der sie einen langen Strohhalm herausziehen konnte. An ihm befestigte sie in regelmäßigen Abständen die kleinen Knäuel und überlegte sich dann, auf welche Weise sie damit ein Netzwerk knüpfen konnte. Die ersten Versuche waren noch recht unbeholfen, dann aber nahm ihre Geschicklichkeit zu, und nach und nach bildete sich nicht nur ein feines Netz aus geflochtenen Fäden, sondern sogar ein Muster. Es bedurfte Konzentration und Berechnung, und irgendwann bemerkte sie, dass sich die Wolken verzogen hatten und ein blutroter Sonnenuntergang die Butzenscheiben färbte.
    Sie legte die komplizierte kleine Handarbeit in den Schoß und schaute zu, wie die Welt dunkler wurde. Dann, als die Dämmerung das Licht verschluckte, hob sie die Polster an und versteckte ihr Werk darunter. Ein weiteres Glas Wasser musste ihr zum Nachtmahl reichen, aber diesmal störte der Hunger sie nicht. Sie kniete sich nieder mit Blick zum Fenster, durch das das milde Mondlicht fiel, und betete das Gebet ihrer Kindheit, das ihr schon immer Trost und Frieden geschenkt hatte. Die Worte des heiligen Franziskus von Assisi sprach sie leise, doch mit großer Inbrunst und Hoffnung.
    »Gelobt seist du, mein Herr,
    durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
    und Krankheit ertragen und Drangsal.
    Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
    denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt werden.
    Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
    ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
    Wehe jenen, die in schwerer Sünde sterben.
    Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden,
    denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.«
    Es würde sich jemand um sie sorgen, jemand würde nach ihr suchen. Sie war sicher, dass jene, die sie liebten, nicht an ihren Tod glauben würden.
    Nicht Marian, ihr Bruder, mit dem sie verbunden war, seit sie denken konnte.
    Nicht John, der in seinem Herzen von ihrer Liebe wusste.
    Nicht ihre Eltern, die ihr vertrauten, nicht Catrin, die ihr schwesterlich zugeneigt war.
    Sie kroch unter die Decke und befahl ihrem aufrührerischen Verstand, sich die nächsten Reihen Flechtmuster vorzustellen.
    Es gelang ihr damit, auch ihre Träume im Zaum zu halten, und als die Amseln vor ihrem Fenster den Morgengesang anstimmten, erwachte sie einigermaßen erholt.

17. Kapitel
    J ohn betrachtete die drei Jünglinge, die in unterschiedlichem Grade verkatert wirkten. Frieder schien die geringsten Probleme zu haben, Cedric wirkte etwas blass und zittrig, Lucien hingegen sah aus wie das fleischgewordene Kopfweh. Seine Lider waren geschwollen, seine Augen blutunterlaufen, seine Gesichtsfarbe spielte ins Grünliche.
    Sie hatten ihre Aufgabe äußerst ernst genommen und den ganzen Nachmittag und Abend des Vortags in den Tavernen nach dem Mann mit dem Blumenkohlohr Ausschau gehalten.
    »Wir haben ihn nicht gefunden, Master John. Vielleicht hätten wir mehr Erfolg gehabt, wenn Lucien nicht unbedingt mit dem Harfelieschen hätte tändeln wollen.«
    »Sie hat misch gemacht trunken!«
    »Das hast du ganz alleine hinbekommen. Ich habe dich vor dem dunklen, ungemischten Wein gewarnt.«
    »Nur Memmen trinken le vin mit Wasser.«
    »So, für eine Memme hältst du mich? Und wer hat den Tretmühlenknecht von deinem mageren Hals gerissen, als du dich auf sein Liebchen setzen wolltest?«
    Luciens Versicherung, dass er schon mit dem derben Kerl fertiggeworden wäre, verkürzte John mit einigen gesetzten Worten, deren Bedeutung dem jungen Burgunder tatsächlich in den schmerzenden Schädel drang. Er gab Ruhe und drückte sich die Hand auf den Magen.
    »Mann mit Ohr soll sein am fishmarket «, sagte Cedric leise und rieb sich die

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