Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
dahinströmenden Rheins verlief angenehm. Maid Lauryn hatte ihr Sonntagsgewand abgelegt und sich in einen schlichten Kittel gekleidet, dazu aber einen kleinen Strang bunter Glasperlen um den Hals gelegt, stellte John amüsiert fest. Glasperlen, die Marian aus Venedig mitgebracht und an die weiblichen Mitglieder des Hauswesens großzügig verschenkt hatte. Ein Lockmittel, fürwahr. Er würde seinen Freund später bitten, Lauryn die Perlen zu ersetzen, die sie offensichtlich bereit war zu opfern.
Die junge Maid hatte auch eine angenehme Art zu plaudern, fand er. Sie berichtete davon, wie sie lernte, die Bücher zu führen, fragte klug nach den Eigenarten des Tuchhandels und wusste von etlichen Streichen ihres Bruders Frieder zu berichten. Wenn sie von Tilo, dem Sohn des Tuchhändlers, sprach, schlich sich ein wenig Sehnsucht in ihre Stimme, doch Spekulationen über Mistress Alyss’ Verbleib unterließ sie, und das half ihm, die stetig nagende Sorge ein wenig in den Hintergrund zu drängen.
Als sie die Stadtmauer durch das Eigelsteintor verließen, bat er sie jedoch zu schweigen, denn er wollte sich darauf einstimmen, wie er mit der Witwe umgehen würde. Er wusste kaum etwas von ihr, aber wenn sie seit Jahren Arndts Buhle gewesen war, musste sie einen gewissen Reiz für ihn gehabt haben. Mehr als dessen eigenes Weib.
Bei diesem Gedanken bedauerte John es, dass van Doorne bereits tot und begraben war.
Das Anwesen der Witwe lag nahe dem Ufer. Zwei große Scheunen nahmen Heu, Stroh und Kohl auf – und sicher auch recht häufig Waren, die auf unredlichem Wege über den Fluss gekommen waren. So, wie John einst zusammen mit Robert beobachtet hatte, dass Tuchballen aus Kapergut hier gelagert wurden.
Ein Ansatz, um mit der Witwe zu plaudern.
»Seht, da am Ufer sitzen die Mägde, Master John. Ich werde mich zu ihnen gesellen und sie fragen, ob man noch eine Küchenmagd brauchen kann.«
»Gute Idee, Maid Lauryn. Ich klopfe an die Tür des Haupthauses und mache der Herrin meine Aufwartung. Wir kennen uns nicht, sind rein zufällig hier eingetroffen. Treffen wir uns später dort an der Weide.«
»Ist recht, Master John. Viel Erfolg.«
Den hatte er allerdings nicht. Zwar war die Hausherrin anwesend und erfreut über den Besuch eines ansehnlichen Weinhändlers, für den er sich ausgab, aber über Arndt van Doorne schwieg sich das Weib gründlich aus. Auch die Frage nach einem möglichen Lagerraum für einige Fässer Loirewein, den er von Frankreich nach Köln bringen wollte, wusste sie spielerisch zu umgehen. Dafür geizte sie nicht mit ihren überaus üppigen Reizen und bot nicht nur süßen Wein und süße Kuchen, sondern auch süße Verlockungen an, derer sich John jedoch ebenso spielerisch zu erwehren wusste. Als das scheppernde Glöckchen der Riehler Kirche zur Non bimmelte, gelang ihm schließlich die Flucht.
Erleichtert, das höfliche Lächeln aus seinem Gesicht wischen zu dürfen, stapfte er auf die Weide zu. Hier traf er, an den Baum gelehnt, seine junge Begleiterin, die nun statt der Perlenkette einen Blumenkranz aus Vergissmeinnicht und Dotterblumen im Haar trug und mit leicht geröteten Wangen selig schlummerte.
Das Lächeln kehrte zurück, diesmal jedoch nicht höflich, sondern freundlich. Leise setzte er sich neben Lauryn und ließ seinen Blick über das Wasser schweifen. Eine Entenmutter mit vier flauschigen Küken zog geschäftig zum Ufer hin und gründelte hier und da, ein Dutzend Möwen kreisten über einem treibenden Stück Holz, in den Zweigen des Baumes zwitscherten die Spatzen, und ein Kaninchen hoppelte mit blinkendem Schwanz über den Feldweg in das Gemüsefeld.
Maid Lauryn schlug die Augen auf.
»Oh, Master John. Verzeiht, ich bin eingenickt.«
»Auch Elfen müssen schlafen. Hat Euch der Schlummer wohlgetan?«
Sie reckte sich und blinzelte in die Sonne.
»Ja. War Euer Besuch erfolgreich?«
»Nein.«
»Bedauerlich, aber meiner war es. Wollt Ihr hier ein wenig ruhen, oder soll ich es Euch auf dem Heimweg erzählen?«
»Gehen wir zurück.«
Er reichte ihr die Hand, um ihr aufstehen zu helfen, sie klopfte ihren Kittel aus, nahm die Blumen aus dem Haar und warf den Kranz ins Wasser. Dann begann sie zu berichten.
»Tilli, die Magd, liebt die große Stadt, und ihre Herrin ist ganz froh, dass sie die Waren für sie auf den Markt bringt. Jeden Dienstag und Freitag zieht sie mit ihrem Karren zum Alter Markt, und wenn sie das Zeug verkauft hat, sucht sie eine der Schenken auf oder eben auch den
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