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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Elise macht Platz, damit ich mich zu ihnen setzen kann. Aber April hustet, und ich wende mich stattdessen ihr zu. Sie hat sich in einen Sessel fallen lassen. Der von der Seuche befallene Junge – Thom – steht hinter ihr, hält ein Glas Wasser in der Hand. Seine Haut sieht sogar noch schlimmer aus als sonst; auf seinen Armen sind schwärende Wunden, ebenso wie über dem einen Auge.
    Ich kann nicht glauben, dass April zulässt, dass er ihr so nahe kommt. Sie hat sich tatsächlich verändert.
    »Wie geht es dir?«, frage ich und greife nach ihrer Hand. Sie zieht sie weg.
    »Ich brauche einen Drink. Und ein heißes Bad. Und dann noch einen Drink.« Thom hält ihr das Glas Wasser hin. Sie winkt schroff ab. »Nicht so was, was Richtiges.« Aber dann lächelt sie Thom an, entschuldigt sich stumm, dass sie so schroff war. »Tut mir leid«, sagt sie. »Nasse Haare sind unangenehm an den wunden Stellen.« Sie deutet auf ihren Hals, hebt die Haare aber nicht hoch. Lieber hält sie den Schmerz aus, als dass sie uns zeigt, was die Seuche ihr antut.
    Sie sieht Thom an, als würde sie auf sein Mitgefühl warten, und ich verspüre einen Stich. Ich weiß, dass dieser Junge der Einzige ist, der versteht, was mit ihr passiert.
    »Du kannst Elliott unmöglich zustimmen«, sage ich ruhig. »Du kannst nicht der Meinung sein, dass wir in den Palast des Prinzen gehen sollten.«
    Als sie mich ansieht, sehe ich Panik in ihren Augen. »Alle in der Stadt sterben«, sagt sie. »Niemand kann den Roten Tod überleben. Aber einige Leute können mit der Seuche leben.«
    Ich streite nicht mit ihr. Ein Mädchen ist direkt vor meinen Augen am Roten Tod gestorben. Ich bezweifle nicht, dass die Zustände in der Stadt schlimm sind.
    Aber Aprils Wunden breiten sich weiter aus, und es gibt keine Garantie, dass es bei ihr so sein wird wie bei Thom. Sie hat mir mehr als einmal das Leben gerettet. Nach dem Tod meines Bruders, als ich selbstmordgefährdet war, hat sie sich alle Mühe gegeben, mich abzulenken. Sie hat mich als beste Freundin ausgesucht und in den Club mitgenommen. Und jetzt ist es meine Schuld, dass sie stirbt. Als ihr Vater uns im Tunnel festgehalten hat, sagte er, er könne sie von der Krankheit heilen. Aber sie ist mit mir geflohen, weil er mich töten wollte.
    Ich hatte nicht die Macht, meinen Bruder vor dem Sterben zu bewahren. Aber jetzt bin ich nicht mehr machtlos. Ich werde April retten, selbst wenn ich gegen sie kämpfen muss, um das zu tun.
    Wir beobachten den Sturm durch die schmutzigen Fenster. Ich esse, um bei Kräften zu bleiben, und erzähle den Kindern Geschichten. Thom verschwindet mit einer Schüssel Suppe für Will und ein bisschen für den Gefangenen über eine Wendeltreppe nach unten. »Der Mann, den Elliott gefangen genommen hat, macht mir Angst«, gesteht April. »Er erinnert mich an dunkle Orte unter der Stadt. Und an meinen Vater.«
    Als wir dem Mob entkommen sind, hat der Mann Will und die Kinder verfolgt und ist mit der Muskete in der Hand die Strickleiter hochgeklettert. Auch ich habe Angst vor ihm.
    Henry und Elise, die auf den freien Flächen des Dachbodens Fangen gespielt haben, sind müde. Sie rollen sich zusammen und schlafen. April döst im Sessel vor dem Kamin.
    Dies ist meine Chance. Ich schleiche mich weg, um in Vaters Tagebuch zu lesen, bevor Elliott nach unten kommt. Wenn ich etwas Eindeutiges über ein Heilmittel finde, kann ich die anderen vielleicht dazu bringen, mir zuzuhören. Ich mustere die Wendeltreppe, aber sie führt zu Will und Thom und dem Gefangenen. Am hinteren Ende des Dachbodens, jenseits der Öffnung, durch die wir vom Dach heruntergeklettert sind, befindet sich ein Loch im Boden, vermutlich, weil das von oben herabtröpfelnde Wasser das Holz hat verrotten lassen.
    Ich gehe hin und spähe nach unten. Ich kann einen Holzboden sehen, der mit einem Teppich bedeckt ist. Die Entfernung beträgt wahrscheinlich zwei Meter, vielleicht zweieinhalb. Ich setze mich an den Rand des Lochs und lasse die Beine baumeln. Wenn ich mich von den zerbrochenen Balken abstoßen kann, damit ich mir nicht die Schulter aufschramme, müsste es gehen. Sofern ich beim Landen nicht umknicke.
    Ich hole tief Luft und lasse mich fallen, mache mich auf den Schmerz beim Aufprall gefasst. Aber es gibt keinen Aufprall.
    Starke Arme fangen mich auf, schließen sich um meine Taille.
    Will. Ich würde ihn überall erkennen, selbst in dieser Dunkelheit. Er riecht immer noch nach dem Debauchery Club, nach einem Hauch

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