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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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wandert zum Flur, dann wieder zum Sofa und zu mir.
    »Ich wollte mich einfach nur hier hinsetzen und lesen.« Ich halte das Tagebuch hoch. Er weiß, was es ist. Schließlich hat er es Malcontent gegeben, kurz nachdem er mich ausgeliefert hatte.
    »Ich werde in der Nähe bleiben, damit ich weiß, dass du in Sicherheit bist.«
    Ich hätte ihm darauf tausend Erwiderungen ins Gesicht spucken können, aber ich habe keine Energie für Vorwürfe. Und obwohl ich von allen anderen wegwollte, möchte ich doch nicht ganz allein sein.
    Er lässt sich in einer Ecke nieder, wo er von den Schatten fast verschluckt wird, und ich kauere mich am einen Ende des Sofas zusammen und schlage das Tagebuch auf. April braucht Antworten. Und während ich nach Informationen über die Seuche suche, kann ich vielleicht etwas finden, das mich selbst beruhigt.
    Ich lese an der Stelle weiter, an der es um die Jahre geht, als ich noch sehr jung war. Schon damals herrschte Chaos in der Stadt, weil der Sumpf gestiegen und in die Unterstadt geströmt war und das Wasser kontaminiert hatte. Der Schwärende Tod wurde in diesen Wahnsinn entlassen.
    Ich überfliege die Seiten rasch, aber als ich zur zweiten Hälfte des Buches komme, zwinge ich mich, langsamer zu lesen. Inzwischen schreibt Vater nur noch über die Seuche.
    Prospero schart Wissenschaftler um sich und hält sie in seinem Schloss fest. Er behauptet, einer seiner Männer hätte eine Möglichkeit gefunden, die Stadt von dem sich ausbreitenden Sumpf zu befreien. Er hat es mir beim Essen gesagt und dabei in sich hineingelacht. Der arme Kerl liegt in seinem Kerker in Ketten. »Vielleicht«, hat er gesagt, »vielleicht werde ich ihm erlauben, sein Lebenswerk zu vollenden. Die Stadt wird für Ihre Kinder sehr viel angenehmer sein, sollten sie das Erwachsenenalter erreichen, finden Sie nicht?«
    Wie immer habe ich meine Suppe gegessen, ohne etwas dazu zu sagen. »Kümmern Sie sich um mein Rattenproblem«, sagte er. Es war keine Bitte.
    Ich sagte ihm, dass die Seuche sprunghaft ist. Unberechenbar.
    »Es macht der Stadt nichts, wenn es ein paar Zuwanderer weniger gibt«, sagte er. »Tag für Tag kommen Boote und bringen noch mehr.«
    Jetzt liegen alle diese Boote verfault und zerfallen im Hafen.
    Ich lese weiter, sauge so viel wie möglich in mich auf, bis ich an eine fast ganz leere Seite gelange, auf der nur die Worte stehen:
    Mein Sohn ist tot.
    Ich lasse meinen Kopf gegen die Sofalehne sinken und versuche, nicht zu denken. Selbst mit geschlossenen Augen kann ich meinen Zwillingsbruder sehen. Ich will nicht an seine blutleere Hand denken, wie ich sie losgelassen habe, wie ich zurückgegangen bin und versucht habe, sie wieder zu packen, nachdem wir ihn auf den Karren des Leichensammlers gelegt hatten.
    Als ich die Augen wieder öffne, beobachtet Will mich. Er sitzt auf der anderen Seite des Zimmers und lehnt mit dem Rücken an einer Mauer aus nackten Ziegelsteinen. Seine Haare sind wieder nach vorn gefallen, aber es genügt nicht, um seine Sorge zu verbergen.
    Das Elend in diesem Zimmer ist greifbar.
    Ich zwinge mich, das Tagebuch weiterzulesen, über diese schreckliche Stelle hinaus.
    Prospero hat mich angelogen. Er hat sich nie darum gekümmert, den Anstieg des Sumpfes zu untersuchen, und ich weiß nicht, wo sich die Pumpstation befindet, die das Wasser reinigen würde, wie er versprochen hat. Er will keine Masken an die Leute verteilen. Mir bleibt nur noch eine einzige Drohung, und ich weiß nicht, ob er mir glaubt.
    Die letzten Seiten handeln schließlich vom Roten Tod.
    Während der Schwärende Tod über die Luft weitergegeben wird, kann man sich beim Roten Tod sowohl durch die Luft als auch durch das Trinkwasser anstecken. Ich habe nichts mehr, womit ich Prospero drohen könnte. Es ist alles verloren. Er hat meine Frau geholt. Mein Sohn ist tot. Ich werde nicht derjenige sein, der diese Stadt rettet.
    Ich klappe das Buch zu und starre lange Zeit einfach vor mich hin. Was ist mit mir? Hat Vater gedacht, ich wäre auch verloren? Hatte er recht?
    Ich erwache vom Geräusch von Schritten auf dem Holzboden und setze mich auf, halte das Tagebuch fest an mein Herz gedrückt.
    Es ist immer noch dämmrig im Zimmer, auch wenn Licht durch das Loch im Dach und die schmutzigen Fenster fällt.
    »Guten Morgen.« Elliott steht ein paar Schritte von mir entfernt. Im hereinfallenden Licht ist er nur eine Silhouette.
    »Guten Morgen«, antworte ich und versuche, meine Überraschung zu verbergen. Ich werfe einen

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