Das Lied des roten Todes
hat nie so ernst ausgesehen. Sie führt uns vom Schiff. Elliott nimmt meine Hand, aber er zieht mich nicht mit sich. Zwischen den Holzstufen des Luftschiffs und dem Dach des Hauses befindet sich nur ein schmaler Spalt, aber er hilft mir trotzdem herunter.
Henry und Elise sitzen im Schatten von einem der Schornsteine.
»Will lässt uns nirgendwo spielen, wo es interessant ist«, klagt Henry, als wir näher kommen. »Von hier aus können wir nichts sehen, nicht einmal mit dem Fernglas.«
Da Krokodile durch den Morast gleiten und wer weiß was sonst noch da draußen lauert, hat Will recht daran getan, sie versprechen zu lassen, dass sie in der Nähe des Schiffes bleiben. Ich möchte Henrys Hand nehmen und ihn festhalten, damit er in Sicherheit ist.
»Araby!« Elise sieht mich hinter Elliott und springt auf. Sie schlingt ihre Arme um mich, aber Elliott hält meine Hand fest. Elises Augenbrauen ziehen sich zusammen, und ich weiß, dass sie hinter ihrer Maske die Stirn runzelt.
Der Wind wird stärker. Selbst wenn ich gewusst hätte, was ich zu ihr sagen soll, hätte er die Worte weggerissen.
»Wieso müssen wir immer warten, bis der Sturm richtig da ist?«, fragt April niemanden im Besonderen. Dies ist die alte April. »Wir müssen uns beeilen. Meine Haare vertragen nicht noch mehr.«
Ich lächle, aber sie hat recht. Der Regen kommt – ich kann sehen, wie er sich über den Sumpf auf uns zubewegt. Diese Dachplatten werden glatt und tückisch sein, wenn er hier angekommen ist. Ich lege einen Arm um Elise, dann lasse ich Elliotts Hand los, um die von Henry zu nehmen.
»Zeigst du mir, wie man ins Haus kommt?«, frage ich Elise, und sie nickt. Sie freut sich, dass sie helfen kann.
Das Loch im Dach ist nicht weit weg, aber es lässt mich innehalten. Es sieht aus, als hätten gewaltige Kiefer ein gutes Stück aus dem oberen Teil des Hauses herausgebissen. Das ungleichmäßige Loch, das sie zurückgelassen haben, ist breit genug, dass eine Person hindurchklettern kann.
»Da war schon ein Loch im Dach«, erklärt April. »Kent hat es mit einer Brechstange nur noch etwas größer gemacht, damit wir hindurchklettern können.« Der Regen trommelt hinter uns auf das Dach, rauscht in Böen über den Sumpf. Und dann plötzlich ist alles in Bewegung.
»Geht weiter.« Ich schiebe die Kinder auf die Holzleiter zu, die aus dem Loch ragt. Als April nach unten geklettert ist, kracht der Sturm gegen das Haus, und die Bäume biegen sich.
Elliotts Haare kleben ihm im Gesicht, das Hemd hängt nass an seinem Oberkörper.
»Ich sollte bei Kent bleiben«, sagt er. Er verzieht das Gesicht, aber ich kann nicht erkennen, ob es am Regen liegt oder an der Vorstellung, dass ich zusammen mit Will unten sein werde.
Ich nicke. Er kann nicht zulassen, dass Kent sich dem Sturm allein stellen muss.
Ich greife nach seinem Arm, ignoriere den peitschenden Regen. Es spielt keine Rolle, dass ich ihm nicht vertraue oder dass ich mit seinen Plänen nicht übereinstimme. Er kann der Held sein, den die Stadt braucht. Ich bin nicht bereit, ihn zu umarmen, aber ich halte seinen Arm ein paar Sekunden länger fest, als ich sollte. Als ich mich abwende, dreht er mich wieder um und küsst mich stürmisch. Und dann stemmt er sich gegen den Wind und kehrt über das Dach zum Schiff zurück.
Erst als ich die Leiter halb nach unten geklettert bin, mache ich eine Pause und hole Luft, streiche mir die nassen Haare aus dem Gesicht. Ich lehne meine Stirn gegen die Sprossen, während mein Herz sich allmählich beruhigt.
Weiter unten stöhnt und ächzt das Haus, sinkt vielleicht seiner letzten Ruhe entgegen. Im Sumpf. Ich steige weiter hinunter. Der Holzboden sieht aus, als würde Blut ihn glitschig machen, aber es ist nur Regenwasser vom Sturm. Dennoch scheinen die Bretter unter meinen Füßen nachzugeben, und ich gehe schnell zur anderen Seite des Zimmers, wo das Dach noch intakt ist.
Im Kamin knistert ein Feuer; der Feuerschein bildet zusammen mit der Öllampe einen behaglichen Kontrast zu dem Regen, der durch das Loch fällt und auf das Dach und gegen die Fenster trommelt.
Dieser Ort erinnert mich an die Häuser von Mutters reichen Verwandten, die wir besucht haben, als ich noch ein Kind war. Der Dachboden wäre dann einmal ein Kinderzimmer gewesen, und zerbrochenes Spielzeug wäre liegen gelassen worden, ein kleiner Tisch würde dastehen, an dem ein Kind hätte sitzen und lesen lernen können.
Elise und Henry haben es sich auf einem Sofa gemütlich gemacht, und
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