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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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entschlossen. Ruhig.
    »Du hast ihn getötet, bevor der Rote Tod es tun konnte«, sage ich leise.
    Er zuckt mit den Schultern. »Wenn er hätte leben wollen, hätte er nicht nach dir greifen dürfen.«
    Das Licht des Mondes ist schwach, aber es fällt auf eine winzige ungleichmäßige Narbe gleich über seiner Augenbraue. Sein Gesicht kündet von Ekel, aber nicht von Reue.
    Ohne es zu wollen, strecke ich die Hand aus und berühre die Narbe. »Woher hast du die?«
    »Die stammt von einem Mädchen im Debauchery Club. Ich wollte sie zur Tür bringen. Sie hat zugeschlagen. Da oben haben mich ihre Fingernägel getroffen.«
    Er bleibt ruhig, angesichts der Erinnerung und dessen, was er gerade getan hat. Aber ich weiß, dass er Gewalt verabscheut.
    »Ich bin mir sicher, dass du … viele interessante Dinge im Club gesehen hast.«
    Er lacht. »Ich weiß nicht genau, ob ›interessant‹ das richtige Wort ist. Aber ja, ich habe Dinge gesehen.« Bevor ich ihn bitten kann, es mir näher zu erklären, ist Elliott bei uns.

Zehn
    E lliott bietet mir seinen Mantel an, aber ich brauche ihn nicht.
    Der Sprung in meiner Maske scheint sich vergrößert zu haben, wahrscheinlich bei dem Kampf. Er kratzt scharf an meinen Lippen.
    »Gehen wir zum Debauchery Club?«, frage ich, als einer von Elliotts Männer ihm schweigend unsere Bündel reicht. Elliott muss ihm den Auftrag gegeben haben, sie zu holen.
    »Das habe ich allen gesagt«, antwortet Elliott. Er sieht Will an. »Ist alles für unsere Ankunft vorbereitet?«
    »Ja.«
    »Gut. Wir werden morgen früh dort eintreffen. Was heute Nacht betrifft, möchte ich lieber, dass niemand weiß, wo wir schlafen.« Er wirft einen letzten Blick in den schwelenden Keller, als hätte der Angriff des Mannes mit seiner Vorsichtsmaßnahme zu tun.
    Hinter uns brennt jetzt das ganze Gebäude, in dem sich Malcontents Lager befunden hat. Ein paar Familien aus den oberen Stockwerken eilen die Treppen herunter und auf die Straße.
    »Sorgt dafür, dass sie irgendwo bleiben können, wo sie in Sicherheit sind«, sagt Elliott zu einem seiner Soldaten. Dann geht er mit uns weg. Meine Beine fühlen sich an wie aus Gummi.
    »Ich möchte morgen mit der Suche nach meinem Vater weitermachen«, sage ich zu Elliott.
    »Natürlich.« Er nickt, aber er verlagert dabei sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Heute hat er einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie es ist, ein Anführer zu sein, und wenn ich mich auch für ihn freue und ihn dabei unterstütze, die Stadt zu übernehmen, lasse ich nicht zu, dass er seine Schwester vergisst.
    Ich gehe an Elliotts Seite durch die furchterregenden Straßen und Gassen, mir nur zu bewusst, dass Will uns in zwei Schritten Abstand folgt. Die Schatten rücken näher, tragen die Bedrohung von Malcontents Boshaftigkeit mit sich. Wir haben heute einen seiner Männer getötet, aber wie viele Hundertschaften hat er noch? Haben wir eine Chance in unserem Kampf gegen sie und die Seuche?
    Elliott bleibt vor einem schmiedeeisernen Tor stehen. Das Gebäude, das es bewacht, liegt ein Stück abseits der Straße. Elliott führt uns durch das Tor zu einer im Schatten liegenden Treppe, die sich um eine Seite des Hauses windet und dann darunter verschwindet.
    Der Eingang ist anders als der, der zu dem Keller geführt hat, in dem ich mit Vater und Finn gelebt habe. Dieses Haus ist sehr viel schöner, und die Nachbarschaft ist auch prachtvoller. Aber da ist irgendetwas an der Neigung der Stufen oder den Ziegelsteinen an der Seite des Gebäudes, das mich zurückwirft. Plötzlich bin ich wieder zehn Jahre alt und starre auf die Kellerstufen, die uns in ein jahrelanges Exil geführt haben. Jahre, die ich mit Finn in der Dunkelheit verbracht habe. Mutter, die sich wegschleicht, aus meinem Augenwinkel verschwindet. Ich weiß jetzt, dass es nicht ihre Entscheidung war, uns zu verlassen, dass sie nicht gehen wollte. Trotzdem schmerzt die Erinnerung immer noch. Und Finn ist in jenem Keller gestorben.
    »Wir werden hier in Sicherheit sein«, behauptet Elliott. Aber ich fühle mich alles andere als sicher. »Wir sollten nicht dort sein, wo man uns erwartet, noch nicht. Nicht wenn so vieles an mir hängt. An uns.«
    Das klingt sinnvoll, aber ich schüttle den Kopf. Meine Alpträume – diejenigen, die Vater dazu gebracht haben, mir Beruhigungsmittel zu geben – handelten immer vom Keller.
    Ich wende den Blick vom Eingang ab und konzentriere mich auf die menschenleere Straße. Blätter wehen raschelnd über

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