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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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Brust. Der Blick seiner dunklen Augen bohrt sich in mich hinein.
    »Ich bin hier, um dir zu helfen. Ich kann nicht wiedergutmachen, was ich getan habe, aber da wir nun einmal beide hier sind, werde ich dir in jeder Hinsicht helfen, die mir möglich ist.« Er sieht traurig aus. Wunderschöne dichte Wimpern umrahmen seine Augen, aber unter diesen Augen sind dunkle Ringe.
    »Komm mir bei deinem Versuch, mich zu beschützen, einfach nicht in die Quere.«
    »Das würde mir nicht im Traum einfallen. Wenn du verhätschelt werden wolltest, wärst du nicht hier.«
    »Geh ein Stück mit mir«, sage ich, denn ich muss mich bewegen. Ein bisschen vom Wirtshaus und den feindseligen Blicken wegzukommen sorgt dafür, dass ich mich leichter, weniger von Schuld und Sorge belastet fühle. Ich lächele, und Will lächelt zurück. Wir bleiben einige lange Momente im Sonnenlicht des späten Nachmittags stehen.
    »Komm«, sage ich und gehe mit erneuerter Energie weiter.
    Die Gebäude in dieser Straße gehen ineinander über, mit rechteckigen Fenstern und eckigen, weißen Fenstersimsen aus Stein. Wie oft haben Henry und Elise vom Fenster von Wills Wohnung aus den Vorbeigehenden zugesehen? Ich vermisse die Kinder. Ich vermisse die Tage, die ich damals dort mit ihnen verbracht habe.
    Als wir uns von der einen Gasse in die nächste begeben, befleckt öliger Rauch das Sonnenlicht. Das Holzgerüst eines Appartementgebäudes schwelt. Ich streife mit meinem Fuß über die kiesigen Pflastersteine, und dabei wird ein Relief sichtbar, das in eine der Platten eingemeißelt ist. Eine Blume. Diese Stadt ist einmal schön gewesen.
    »Komm, hängen wir einige dieser Flugblätter auf«, sagt Will. »Die von Elliott soll ich sowieso aufhängen.«
    »Ist es hoffnungslos?«, frage ich und sehe ihn an. Als ich gestern durch die Stadt gegangen bin, war ich überwältigt von den Widrigkeiten, die wir bei der Suche nach meinem Vater zu erwarten haben, ganz besonders, wenn auch noch der Mob hinter ihm her ist.
    Will schüttelt sich die Haare aus dem Gesicht. »Es gibt immer Hoffnung«, sagt er leise.
    Er kramt in der Tasche, die er bei sich trägt, nach einem leichten Hammer und Nägeln, bevor er eines der Flugblätter nimmt, die ich festhalte. Als er es an der verkohlten Tür eines Appartementhauses befestigt, rutscht der Ärmel seines Hemdes zurück, und ich sehe, dass eine dunkle Tätowierung sich um sein linkes Handgelenk schlingt.
    Diese Tätowierung ist dünner als die übrigen, und ich habe sie noch nie zuvor bemerkt. Er hält mir die Hand hin, wartet auf ein anderes Flugblatt. Aber meine Hand ist leer. Ich berühre die Tätowierung einen Moment, bevor ich meine Hand zurückziehe.
    »Tut mir leid«, murmele ich und greife nach einem neuen Flugblatt.
    »Du kannst mir auch eins von Elliotts geben«, sagt er.
    »Wieso hast du dich bereit erklärt, für ihn zu arbeiten?« Ich schiebe ihm eins von Elliotts Flugblättern in die Hand, achte darauf, ihn nicht noch einmal zu berühren.
    »Ich mache mich lieber nützlich.« Will befestigt das Stück Papier mit einem dünnen Nagel an der Tür. »Solange Elliott sich an seinen Teil des Handels hält und für deinen Schutz sorgt.« Er legt einen kleinen Stapel Blätter auf einen Pfeiler vor einem Wohnhaus. »Wenn du allerdings allein draußen in der Menge bist, tut er das vielleicht nicht.«
    »Seine Männer sind loyal. Sie werden mir nichts tun. Wie sie mich … angesehen haben, hat mir nicht wehgetan.« Meine Stimme zittert am Ende des Satzes leicht und straft alles Lügen, was ich gerade gesagt habe.
    Will lässt sich ein neues Blatt geben, und wieder achte ich sorgfältig darauf, dass unsere Hände sich nicht berühren. Achte darauf, ihm nicht in die Augen zu sehen. Ich will die Sorge darin nicht sehen. Ich kann nicht zulassen, dass das Beben in meiner Stimme sich in echte Schwäche verwandelt.
    »Es ist schwierig, gehasst zu werden, wenn man bisher geliebt wurde«, sage ich rasch. »Und das nur, weil Vater über Nacht zu einem Verbrecher geworden ist. Ich werde mich daran gewöhnen.«
    »Ich hoffe, das musst du nicht.«
    »Wenn ich bei Elliott bleibe …«
    Will erstarrt. Ist er aufgebracht, weil ich angedeutet habe, dass meine Beziehung zu Elliott von Dauer sein könnte, oder war sein Erstarren eine Reaktion auf das Wort »wenn«, das andeutet, dass es möglicherweise auch nicht so sein wird?
    Ich mustere das Flugblatt in meiner Hand, unwillig, Will anzusehen. Ich will weder seine Überraschung sehen noch seine

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