Das Lied des roten Todes
furchterregende Geschichte erinnert, die Finn mir gern erzählt hat, wenn Vater noch spät im Labor gearbeitet hat und wir beide allein in der Dunkelheit waren. Wenn ich zu viel Angst hatte, hat er mich festgehalten, so wie Will es jetzt tut.
Und genauso wie damals hält es auch jetzt die Alpträume in Schach.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, liege ich allein, und dann gehen wir drei durch die Stadt zum Debauchery Club. Wir brauchen Stunden dafür, und so ist es bereits Nachmittag, als wir den Club erreichen.
An dem Tag, als wir aus der Stadt geflohen sind, sind Malcontents Soldaten aus der Kanalisation gekommen und durch den Distrikt geschwärmt. Sie haben uns drei Treppenfluchten im Morgue hochgejagt, und auch der Debauchery Club wurde nicht verschont. Die Eingangstür lehnt am Rahmen, die Angeln sind verdreht und zerbrochen.
Elliott hebt die Tür hoch und stellt sie weit genug zur Seite ab, dass wir eintreten können. Sobald wir alle drin sind, stellt Will sie, so gut es geht, an ihren alten Platz zurück.
»Wer ist da?«, ruft jemand. Wir zucken zusammen, und ein junger Diener späht um die Ecke. »Oh, du bist es«, sagt er erleichtert zu Will. »Und Sie, Sir.« Er wirft Elliott einen langen, unfreundlichen Blick zu. »Ich habe die Zimmer vorbereitet«, sagt er zu Will. »Wir haben schon letzte Nacht mit euch gerechnet.«
Die Holzvertäfelung im Flur ist vom Feuer leicht geschwärzt, aber ansonsten scheint hier alles in Ordnung zu sein. Die Lichter im Fußboden leuchten immer noch. Ich lasse meine Füße über sie gleiten und freue mich, wie vertraut es sich anfühlt.
»Bin ich in meinen alten Räumen?«, fragt Elliott.
Der Junge nickt. »Sie sind nicht sehr stark beschädigt worden. Das Zimmer der jungen Frau liegt gleich gegenüber.«
Elliotts Augenbrauen schießen in die Höhe. Will lächelt in sich hinein.
»Hervorragend«, sage ich zu dem Jungen. Ungeachtet der Machtspiele, die zwischen Will und Elliott ablaufen, genieße ich es, heute ein eigenes Zimmer zu haben.
»Ich werde alles überprüfen«, sagt Will. Und dann ist er weg, folgt dem Jungen zu den Quartieren des Personals.
Als er weg ist, fühle ich mich sofort weniger sicher. Auch wenn das lächerlich ist. Ich bin bei Elliott geschützt.
»Ich werde mir jetzt meine Dampfkutsche ansehen«, sagt Elliott. »Wenn du willst, kannst du nach oben gehen.«
Aber es lohnt sich zu sehen, wo seine Kutsche untergebracht ist, also folge ich ihm zu den Ställen. Ein paar Sättel hängen an Haken an den Wänden, ebenso wie Metallstreifen, die – vermute ich – zum Führen von Pferden benutzt worden sind. Die Stallboxen selbst sind entfernt worden.
Elliotts Dampfkutsche steht in der Mitte des Stalls. Selbst in der armseligen Umgebung leuchtet sie. Er streicht mit den Händen über das Metall.
»Jetzt müssen wir nicht mehr gehen«, murmelt er.
»Es heißt, dass dein Onkel alle Kutschen beschlagnahmt«, erinnere ich ihn. »Wir müssen vorsichtig sein.«
»Er kann sie sich nur holen, wenn er uns erwischt. Mit den Veränderungen, die ich habe vornehmen lassen, kann diese hier jeder anderen Dampfkutsche in der Stadt davonfahren.«
Das hilft auch nichts, wenn jemand einen Hinterhalt legt, wie Malcontent es zuvor getan hat. Zum Beispiel, indem er ein Seil über eine Straße gespannt hat. Aber Elliott wird mit der letzten Dampfkutsche in der Stadt nicht leichtfertig umgehen. Oder?
Vom Eingang zum Stall aus starren wir auf das Sammelsurium aus Gebäuden, die alle zusammen den Debauchery Club bilden. Drei Gebäude, die um einen Innenhof herum miteinander verbunden sind.
»Wie sieht dein Plan für den Rest des Tages aus?«, frage ich. Ich habe ihn heute nicht gedrängt, nach Vater zu suchen, aber der gestrige Tag ist zu schnell vergangen. Ich weiß, dass wir einen festen Platz brauchen, an dem wir bleiben können und an dem Vater mich finden kann, wenn er meine Nachricht sieht. Dennoch bin ich bereit weiterzusuchen.
»Ich habe Will gebeten, eine grobe Karte des Gebäudes und aller Eingänge anzufertigen«, sagt Elliott. »Er hat bereits eine Liste der gegenwärtigen Bewohner erstellt. Das Personal. Adlige, die nach den letzten Angriffen nicht mehr nach Hause gegangen sind. Jeder, der im Gebäude herumlungern könnte.«
»Und wann werden wir nach Vater suchen?«
»Bald«, sagt er. »Und mach dir keine Sorgen. Ich habe einige Leute beauftragt weiterzusuchen.«
Ja. Ich habe ihn sagen hören, dass er will, dass Vater lebend ergriffen wird.
Wir
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