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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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war.
    Er blieb so abrupt stehen, dass Ragi und Steindor beinahe gegen ihn geprallt wären, und mit einem Mal wurde ihm klar, dass dieser verdammte Tag doch noch ein gutes Ende nehmen würde.
    Als Ragi und Steindor an ihm vorbeischlüpfen wollten, breitete er seine Arme aus, um sie aufzuhalten. Er selbst wollte diesen kleinen Bastard erledigen. Dieser Triumph gehörte ihm allein.
    Der Mönch erhob sich langsam. Sein Blick flackerte. Er hatte Angst.
    Das sah Vemund gern. Er näherte sich.
    «Wir sollten ihn gefangen nehmen», hörte er Ragi hinter sich sagen.
    Nein, dachte Vemund. Heute war der Tag des Blutes, und auch er wollte Blut.
    «Gefangen nehmen?», erwiderte er, ohne den Blick von dem Mönch zu nehmen. «Ihr habt doch gehört, was Ernust gesagt hat: keine Gefangenen, keine Gnade!»
    Ragi wollte offenbar noch etwas einwenden, verstummte aber.
    Vemund hob das Schwert. Es hatte eine wunderbar scharfe Klinge. Er hatte viel Geld dafür ausgegeben, und er hatte dies nicht getan, um Gefangene zu machen. Er wollte sehen, wie das Schwert in den Hals des kleinen Kerls fuhr und ihm den Kopf vom Rumpf trennte.
    Aber dann sah Vemund etwas anderes. Der Ausdruck im Gesicht des Mönchs änderte sich. Angst und Überraschung wichen einem Lächeln, und der Blick glitt von Vemund weg, hin zu irgendetwas, das hinter ihm war. Hinter
ihnen
war.
    Im selben Moment hörte er Ragi und Steindor merkwürdige Laute ausstoßen.
    Vemund wirbelte herum. Hinter den beiden war ein Mann aufgetaucht, ein verdammt großer Mann mit gewaltigen Händen. Die Pranken hatten sich auf Ragis und Steindors Helme gelegt und rissen sie herunter. Bevor sie reagieren konnten, packte der Mann ihre Köpfe und schlug sie so hart gegeneinander, dass Vemund die Schädelknochen knacken hörte. Der Mann ließ sie von sich abfallen wie Säcke, wie leere Säcke. Sie waren tot, ehe sie auf den Boden schlugen.
    Die Pranken näherten sich.
    Vemund war ein erfahrener Krieger, einer, der sich in vielen Schlachten bewährt hatte. Als die Hände nach ihm schnappten, duckte er sich weg und stieß mit dem Schwert nach dem Mann, der, wie Vemund jetzt erst bemerkte, ebenfalls eine Mönchskutte trug. Die Klinge traf auf Widerstand. Ein wütender Laut, der wie das Grollen eines Gewitters klang, verriet Vemund, dass er seinen Gegner getroffen hatte. Der Mönch ging in die Knie, verdrehte die Augen und kippte um.
    Vemund stellte zufrieden fest, dass er offenbar eine empfindliche Stelle getroffen hatte.
    Er drehte sich nach dem kleinen Mönch um, der noch immer bei der Frau stand, nun aber nicht mehr lächelte.
    Dafür lachte Vemund. Sie hatten ihn unterschätzt, und mit einem Mal tat sich ihm eine Fülle an Möglichkeiten auf. Er würde sich für die Schmach rächen, sich über die Frau hermachen und mit ihr all das tun, was er bislang nur in seinen Träumen getan hatte. Wenn er mit ihr fertig war, würde er auch sie töten. Es gab keine Zeugen. Niemand wusste, was wirklich geschehen war. Er würde sich irgendeine glaubwürdige Geschichte ausdenken und das Andenken an die Frau für ewig behalten. Sie war sein Weib!
    Es war kein guter Tag – es war ein wundervoller Tag!
    Er hob sein Schwert, bereit, dem Mönch den Kopf abzuschlagen, als mit einem Mal seine Beine weggerissen wurden. Das Schwert entglitt seiner Hand. Er stürzte und fand sich auf dem Boden wieder. Über ihm schwebte das breite Gesicht des Riesen. Er spürte den Atem auf seiner Haut und sah, wie sich die Lippen zu einem bedrohlichen Grinsen dehnten.
    «Du wolltest mich töten, Blutmantel», sagte der Mönch in der Sprache der Normannen. «Du hast mich ins Bein gestochen, und ich mag es nicht, wenn mir jemand weh tut. Das mag ich überhaupt nicht.»
    Lange, kräftige Finger krochen über Vemunds Gesicht.
    «Der Herr vergibt», sagte der Mönch. «Der Herr, ja. Ketil nicht!»

77.
    Der Tag des Zornes ist gekommen, dachte Thankmar zufrieden.
    Die Sonne wird schwarz wie ein Trauergewand, und der Mond wird blutrot. Die Sterne fallen vom Himmel wie reife Früchte. Die Großen und Reichen, die Heerführer und Mächtigen, sie verbergen sich in den Klüften.
    Aber ich werde sie finden. Alle! Und vernichten!
    Die Welt lag ihm zu Füßen, und er schaute zu, wie sie sich veränderte. Wie er die Welt veränderte. Wie das Königreich wankte und die Mächte kippten.
    Sein Heer wütete unter den Königstreuen, rückte im Lager immer weiter vor und trieb Ottos Soldaten gegen die Mauern der Pfalanza. Dort sammelten sich die

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