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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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zog die Beine ganz dicht an seinen Oberkörper und schloss die Augen. Er hörte einen weiteren Pfeil, dann noch einen. Aber er war in Sicherheit, und Malina …
    Er dachte an Thora, an ihr lachendes, freundliches Gesicht. Er hatte sie verloren. Hatte versagt. War es nicht genau das, was Sigurd ihm vorgeworfen hatte? Dass er ein Versager sei, unfähig, die Menschen zu beschützen, für deren Schutz er zuständig sein sollte?
    Malinas Gesicht legte sich über das von Thora.
    Er glaubte, sie da unten schreien zu hören. Schreie, undeutliche, verwehte Stimmen im fauchenden Wind.
    Hakon schlang die Arme um die Beine und presste sie so fest gegen seine Brust, dass es schmerzte. Seine Stirn sank auf die Knie.
    Thora, Malina, Sigurd, die Menschen in Hladir. Die Toten.
    Aber er war nicht tot, noch nicht. Noch lebte er, noch brannte das Feuer der Sehnsucht in ihm – der Sehnsucht nach Rache. Das zu vollenden, weswegen er hier war. Weswegen er alles auf sich genommen hatte. Weswegen die anderen sterben mussten.
    Er öffnete die Augen und drehte den Kopf. Am Ende des Schachts empfing ihn Licht.

76.
    Was für ein elender Tag, war Vemunds erster Gedanke, als er den blonden Wicht in der Mönchskutte neben der nackten Frau knien sah.
    Was für ein elender, verdammter Tag!
    Gestern war schon schlimm gewesen. Die anderen hatten sich über ihn lustig gemacht, weil er so dumm gewesen war, die Wahrheit zu erzählen. Dass ihn ein Mönch – ein kleiner, schmaler Mönch – mit einem Stein getroffen hatte. Zu Vemunds Verwunderung sah Ernust zwar von einer Bestrafung ab; jeder Mann werde gebraucht, hieß es. Aber die schlimmste Strafe war der Spott der anderen und das Lachen, wenn sie sich über seinen Kopfverband lustig machten.
    Dabei war Vemund heute Morgen noch voller Hoffnung gewesen. Ernust hatte ihnen befohlen, ihre Waffen bereitzuhalten. Eine Ankündigung, die alle überraschte. Niemand hatte etwas von einem feindlichen Heer gehört, das im Anmarsch auf die Pfalanza sei. Gegen wen sie kämpfen sollten, erfuhren sie nicht. Noch nicht.
    Erst um die Mittagszeit bekamen sie Klarheit. Ernust kehrte aus der Pfalanza zurück und wählte unter den Blutmänteln diejenigen aus, die er für die besten hielt. Da machte sich Vemund noch Hoffnung. Musste dann aber zähneknirschend feststellen, dass man ihn nicht mehr zu den Besten zählte. Er blieb mit der anderen Hälfte zurück, und als wäre er noch nicht genug gedemütigt worden, so wurde er es durch den Befehl, er habe auf das Zelt aufzupassen. Lächerlich! Die anderen, so erfuhren sie, sollten sich bereithalten und die Kirche nicht aus den Augen lassen. Wenn sie das rote Banner des Grafen sahen, sollten sie zu den Waffen greifen – und die Soldaten des Königs angreifen. Keine Gefangenen. Keine Gnade. Im ganzen Heer wurde dieser Befehl ausgegeben, und alle warteten ungeduldig auf das Zeichen.
    Nur Vemund und die beiden anderen nicht, Ragi und Steindor, ebenfalls Dänen. Ihr Auftrag lautete, ein Zelt und eine Frau zu bewachen. Mehr nicht. Was für eine Schmach!
    Als das Banner am Turm der Kirche entrollt wurde, brach der Sturm los. Voller Ingrimm verfolgten Vemund und die anderen beiden, wie die Blutmäntel Lanzen und Beile ergriffen, die Schwerter zogen und dann mit ohrenbetäubendem Gebrüll in das benachbarte Lager jagten. Sie fielen über die Soldaten des Königs her und schlachteten sie in einer Blutorgie ab. Bevor die Gegner auch nur ansatzweise begriffen, was geschah, waren Dutzende niedergemacht worden.
    Eine ruhmreiche Schlacht war das nicht. Aber Spaß hätte es trotzdem gemacht, dachte Vemund verbittert.
    Während die drei Zurückgebliebenen noch mit ihrem Schicksal haderten, hörten sie einen Schrei. Es war die Stimme einer Frau, eindeutig die einer Frau, und sie kam nicht aus dem Lager, sondern aus dem Zelt. Warum hatte sie geschrien? Vemund war sich sicher, dass sie allein da drin war. Der Graf und Ernust waren in der Pfalanza.
    Auch Ragi und Steindor hatten es gehört, und sie überlegten hin und her, was zu tun war. Es war schließlich Ragi, der vorschlug, zunächst einmal hinter dem Zelt nachzuschauen, ob dort etwas Verdächtiges sei. Er lief los, um kurz darauf vollkommen aufgelöst zurückzukehren. An der hinteren Wand waren Pflöcke gelöst worden.
    Sie zogen ihre Schwerter. Vemund riss das Tuch am Eingang zur Seite, trat ein und sah den Mönch. Es war nicht besonders hell im Zelt. Aber er hätte jeden Eid darauf geschworen, dass es der Bastard mit der Schleuder

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