Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
stecken.
Doch Urban V bediente sich eines Kniffs, den Robert schon seit Kindertagen kannte, wenn er mit seiner Schwester gestritten hatte: Soll Odin doch kommen, wenn ich im Unrecht bin. Und was tat Odin? Er kam nicht.
Warum also ritt der Allvater diesen Kreetkopp - wie man in Hammaburg einen Unruhestifter rief - im Süden nicht einfach mit seinem sechsbeinigen Rappen Sleipnir über den Haufen? Nun, offensichtlich stellte sich diese kleine Frage mittlerweile auch Kaiser Ferdinand. Das Dumme daran war nur, dass aus diesem unscheinbaren Flämmchen ein verdammt großes Feuer werden konnte.
Robert trat den Zigarillo aus, zog die Taschenuhr heraus und gestand Coldlake noch ein paar Minuten zu.
»Sir, Sie wissen ja, dass die 6. und 7. Flotte in Australien den Abbau der Steine absichert. Nun, vor einigen Tagen hörte ich üble Geschichten von dort. Massaker sollen an den Eingeborenen verübt worden sein, so grauslich, dass mir die Worte darüber noch immer in meinen Ohren kleben. Es sollen sogar Kopfjäger unterwegs sein, viele Adlige darunter. Ich treffe mich demnächst mit einem Mann, der mehr über all das weiß, Jakob Rothmann der werte Name, Sir.«
»Jetzt übertreiben Sie aber, Coldlake.« Robert wandte sich zum Gehen.
»Ich möchte Sie nur warnen, Lord Humberstone. Die Geschichten sind zu zahlreich, zu nah beieinander, als dass sie bloßes Seemannsgarn sein könnten. Und ein Name tauchte bei den Gräueltaten immer wieder auf: Leopold von Graubergen. Halten Sie diesen Mann auf Abstand, Sir.«
Robert schwieg zu dieser Warnung. Er war zutiefst verstört über all diese Informationen. Er fischte seine Brieftasche aus dem Mantel und gab dem zitternden Schotten zweihundert Pfund in die Hand. Genug Geld, um damit ein ganzes Jahr lang in sämtlichen Hafenkneipen Runden von Bullenschluck zu schmeißen, was immer das auch sein mochte. Coldlake war so erstaunt, dass er fast vergaß sich zu bedanken, wobei es dann mehr ein gemurmeltes Husten wurde.
»Ich nehme an, dieser Jakob Rothmann will Geld für seine Geschichten. Versuchen Sie also nicht, allzu großzügig mit meinem Erbe zu sein, Coldlake.«
»Ähm ja, Sir.« Der Schotte kratzte sich grinsend am Kinn.
»Sehr schön.«
Robert stand auf dem Schlepper unter einer provisorischen, dreckigen Plane, weil es wie aus Kübeln goss. Er hatte kein Auge für den Hafen heute, bemerkte selbst das Schlingern des Schiffes kaum. Er stand da und grübelte missmutig vor sich hin. ›Ob er all das glauben sollte?‹
Ein Teil zumindest würde perfekt in dieses wirre Puzzle passen: Der Läufer. Kronprinz Ludwig schien ein Vorausdenker zu sein, was nicht oft vorkam bei Monarchen. Entweder wusste er bereits, wohin die Reise gehen sollte, oder aber er wollte darauf vorbereitet sein, falls jemand anderes den ersten Schritt machte.
Doch vielleicht war dieses Spiel schon sehr viel früher in Gang gesetzt worden und jetzt begannen, die vielen kleinen Rädchen langsam Fahrt aufzunehmen. Wann war die 6. und 7. Flotte nach Australien aufgebrochen? Wann war der Entschluss gefallen, die Minen dort mit dermaßen vielen Kriegsschiffen so gut zu schützen?
Rationierte man womöglich deshalb jetzt schon das Pulver oder waren die Sparmaßnahmen einfach nur die vernünftige Reaktion auf einen kommenden Maschinenwinter im Norden?
Dem jungen Lord brummte der Schädel.
Aber eines wusste Robert so klar, wie sein Name Humberstone war. Die Macht der Imperien beruhte auf den Steinen und dem daraus gewonnenen Pulver. Sollte tatsächlich ein Krieg hinter der Kellertür lauern, und schon einen widerlichen Fuß auf der Treppe haben, dann würden sich die Großmächte um diesen wertvollen Rohstoff mehr als nur prügeln. Nein, sie würden sich gegenseitig an die verdammte Kehle springen!
Als er vor der Halle ausstieg, den Kragen gegen den Wind hochschlug, kam ihm schon der junge Kalden durch die Pfützen des Vorplatzes entgegen gelaufen, riss die Mütze vom Kopf und salutierte linkisch. Seine rechte Wange war tiefrot, als hätte ihn dort eine heftige Ohrfeige getroffen.
»Sir, jemand ist da und wühlt in Ihren Sachen, Sir.« Der Junge war völlig aufgelöst.
Robert kramte umständlich das Zigarilloetui aus seiner Tasche und gab es dem Jungen. Der wusste, was zu tun war. Er wischte sich die Finger an der Hose trocken, zog eine hervor, zündete sie an, paffte zwei Mal und reichte sie dann dem Lord zurück, Stolz in den verweinten Augen.
»Du läufst gleich mal rüber zur Messe und sagst denen,
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