Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Achseln. »Jäger führen ein gefahrvolles Leben. Hätte nicht der Keiler Robert niedergemacht, wäre es ein Sturz vom Pferd gewesen, der Biss einer Waldnatter, ein fehlgelenkter Pfeil … der Wald ist das Schlachthaus der Götter. Nicht der Wein hat den König getötet. Es war Euer Erbarmen.«
Ned hatte es befürchtet. »Die Götter mögen mir vergeben. «
»Falls es Götter gibt«, sagte Varys, »werden sie es wohl tun. Denn die Königin hätte dem zum Trotz nicht mehr lange gewartet. Robert wurde widerspenstig, und sie musste sich seiner entledigen, um freie Hand zu haben, damit sie sich um seine Brüder kümmern konnte. Die beiden sind
ein echtes Paar, Stannis und Renly. Der eiserne Fäustling und der seidene Handschuh.« Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken. »Ihr seid dumm gewesen, Mylord. Ihr hättet auf Kleinfinger achten sollen, als er Euch drängte, Joffreys Nachfolge zu unterstützen.«
»Woher … woher hätte ich das wissen sollen?«
Varys lächelte. »Ich weiß, das ist alles, was für Euch von Belang sein sollte. Darüber hinaus weiß ich, dass die Königin Euch morgen Früh einen Besuch abstatten will.«
Langsam hob Ned den Blick. »Wozu?«
»Cersei fürchtet Euch, Mylord … doch hat sie andere Feinde, die sie noch stärker fürchtet. Ihr geliebter Jaime tritt im Augenblick gegen die Flusslords an. Lysa Arryn sitzt auf Hohenehr, von Stein und Stahl umringt, und zwischen ihr und der Königin ist keine Liebe mehr. In Dorne brüten die Martells noch immer über dem Mord an Prinzessin Elia und ihren Kindern. Und nun marschiert Euer Sohn die Eng hinab, mit einer Nordarmee im Rücken.«
»Robb ist ein kleiner Junge«, entfuhr es Ned erschrocken.
»Ein kleiner Junge mit einer Armee«, sagte Varys. »Und dennoch nur ein kleiner Junge, wie Ihr sagt. Die Brüder des Königs sind es, die Cersei schlaflose Nächte bereiten … besonders Lord Stannis. Sein Anspruch ist der wahre, er ist für seine Begabung als Befehlshaber in der Schlacht berühmt, und er ist zutiefst gnadenlos. Auf der ganzen Welt gibt es kein Lebewesen, das nur halb so viel Angst und Schrecken verbreitet wie ein wahrlich gerechter Mann. Niemand weiß, was Stannis auf Drachenstein treibt, aber ich würde die Vermutung wagen, dass er mehr Recken als Muscheln gesammelt hat. Und das ist Cerseis Albtraum: Während Vater und Bruder ihre Kraft darauf verwenden, gegen Starks und Tullys anzutreten, landet Lord Stannis, macht sich zum König und schlägt ihrem Sohn den blonden Lockenkopf vom
Hals … und ihren eigenen dazu, obwohl ich wirklich glaube, dass sie sich mehr um ihren Jungen sorgt.«
»Stannis Baratheon ist Roberts wahrer Erbe«, sagte Ned. »Der Thron gehört rechtmäßig ihm. Seinen Aufstieg würde ich willkommen heißen.«
Varys schnalzte mit der Zunge. »Das wird Cersei nicht gern hören, das kann ich Euch versichern. Stannis mag den Thron erstreiten, doch nur Euer modernder Kopf wird dann noch darüber jubeln, wenn Ihr nicht Eure Zunge hütet. Sansa hat so süß gebettelt, dass es eine Schande wäre, wenn Ihr alles wegwerfen würdet. Man gibt Euch Euer Leben zurück, sofern Ihr es haben wollt. Cersei ist nicht dumm. Sie weiß, dass ein zahmer Wolf mehr Nutzen bringt als ein toter. «
»Ihr wollt, dass ich der Frau diene, die meinen König ermordet, meine Leute geschlachtet und meinen Sohn verkrüppelt hat?«
»Ich möchte, dass Ihr dem Reich dient«, sagte Varys. »Sagt der Königin, dass Ihr Euren bösartigen Verrat gesteht, Eurem Sohn befehlt, sein Schwert niederzulegen, und Joffrey zum wahren Erben erklärt. Bietet an, Stannis und Renly als treulose Thronräuber zu denunzieren. Unsere grünäugige Löwin weiß, dass Ihr ein Mann von Ehre seid. Wenn Ihr Cersei den Frieden gebt, den sie braucht, und die Zeit, mit Stannis fertigzuwerden, und schwört, ihr Geheimnis mit ins Grab zu nehmen, wird sie Euch, glaube ich, erlauben, das Schwarz zu tragen und den Rest Eurer Tage auf der Mauer zu verleben, mit Eurem Bruder und Eurem Sohn von niederer Geburt.«
Der Gedanke an Jon erfüllte Ned mit einem Gefühl von Scham, einer Trauer, für die es keine Worte gab. Wenn er den Jungen nur einmal wiedersehen könnte, bei ihm sitzen und mit ihm reden … Schmerz durchfuhr sein gebrochenes Bein unter dem dreckigen, grauen Gips. Er zuckte zusammen,
und seine Finger öffneten und schlossen sich unwillkürlich. »Ist das Euer eigener Plan«, keuchte er Varys entgegen, »oder macht Ihr mit Kleinfinger gemeinsame Sache?«
Das schien den
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