Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Eunuchen zu amüsieren. »Eher würde ich die Schwarze Ziege von Qohor ehelichen. Kleinfinger ist der zweitverlogenste Mensch in den Sieben Königslanden. Oh, ich trage ihm ausgewählte Gerüchte zu, gerade so viele, dass er glaubt, ich wäre auf seiner Seite … ganz wie ich Cersei glauben lasse, ich wäre auf der ihren.«
»Und ganz, wie Ihr mich glauben macht, Ihr wäret auf der meinen. Sagt mir, Lord Varys, wem dient Ihr in Wahrheit? «
Varys lächelte leise. »Nun, dem Reich, mein guter Herr, wie konntet Ihr das je bezweifeln? Ich schwöre es bei meiner verlorenen Männlichkeit. Ich diene dem Reich, und das Reich braucht Frieden.« Er nahm den letzten Schluck Wein und warf den Schlauch beiseite. »Wie also lautet Eure Antwort, Lord Eddard? Gebt mir Euer Wort, dass Ihr der Königin sagt, was sie hören will, wenn sie Euch besucht.«
»Wenn ich es täte, wäre ich so hohl wie eine leere Rüstung. So viel ist mein Leben mir nicht wert.«
»Schade.« Der Eunuch stand auf. »Und das Leben Eurer Tochter, Mylord? Wie wertvoll ist das?«
Kalt fuhr es durch Neds Herz. »Meine Tochter …«
»Ihr dachtet doch wohl nicht, ich hätte Eure süße Unschuld vergessen, Mylord. Die Königin hat es ganz sicher nicht.«
»Nein«, flehte Ned, und seine Stimme überschlug sich. »Varys, bei allen Göttern, tut mit mir, was Ihr wollt, aber lasst meine Tochter aus Euren Plänen. Sansa ist doch noch ein Kind.«
»Auch Rhaenys war ein Kind. Prinz Rhaegars Tochter. Ein hübsches, kleines Ding, jünger noch als Eure Mädchen. Sie hatte ein kleines, schwarzes Kätzchen, das sie Balerion
nannte, wusstet Ihr das? Ich habe mich immer gefragt, was wohl aus ihm geworden ist. Rhaenys tat gern so, als sei er der wahre Balerion, der Schwarze Schrecken aus alten Zeiten, doch denke ich, die Lennisters haben sie den Unterschied zwischen einem Kätzchen und einem Drachen bald genug gelehrt, an jenem Tag, als sie ihre Tür einbrachen.« Varys stieß einen langen, müden Seufzer aus, den Seufzer eines Mannes, der alle Trauer dieser Welt in einem Sack auf seinen Schultern trägt. »Der Hohe Septon hat mir einmal gesagt: Wie wir sündigen, so leiden wir. Falls das stimmen sollte, Lord Eddard, sagt mir … warum sind es immer die Unschuldigen, die am meisten leiden, wenn Ihr hohen Herren Euer Spiel um Throne spielt? Seid so gut und denkt darüber nach, während Ihr auf die Königin wartet. Und gestattet Euch auch einen Gedanken zu Folgendem: Der nächste Mensch, der Euch in dieser Zelle besucht, könnte Euch Brot und Käse und Mohnblumensaft für Eure Schmerzen bringen … oder er bringt Euch Sansas Kopf.
Die Wahl, mein lieber Lord Hand, liegt ganz allein bei Euch.«
CATELYN
Als das Heer den Damm entlangmarschierte, durch das schwarze Moor der Eng und in die Flusslande jenseits davon strömte, wuchsen Catelyns böse Vorahnungen. Sie verbarg ihre Befürchtungen hinter einer stillen, ernsten Miene, doch waren sie dennoch da, wuchsen mit jeder Stunde des Weges, den sie zurücklegten. Ihre Tage waren voller Sorge, die Nächte ruhelos, und bei jedem Raben, der über sie hinwegflog, biss sie die Zähne fest zusammen.
Sie fürchtete um ihren Hohen Vater und wunderte sich über diese unheilvolle Stille. Sie fürchtete um ihren Bruder Edmure und betete, dass die Götter auf ihn achteten, falls er dem Königsmörder in der Schlacht gegenüberstand. Sie fürchtete um Ned und ihre Mädchen und um die süßen Söhne, die sie auf Winterfell zurückgelassen hatte. Und trotzdem gab es nichts, was sie für irgendeinen von ihnen tun konnte, und so zwang sie sich dazu, den Gedanken an sie alle zu verdrängen. Du musst dir deine Kraft für Robb aufsparen, sagte sie sich selbst. Er ist der Einzige, dem du helfen kannst. Sei grimmig und hart wie der Norden, Catelyn Tully. Jetzt musst du wirklich und wahrhaftig eine Stark sein, ganz wie dein Sohn ein Stark ist.
Robb ritt dem Heer voraus, unter dem flatternden Banner von Winterfell. Jeden Tag bat er einen seiner Lords, ihn zu begleiten, damit sie während des Marsches konferieren konnten. Diese Ehre wurde den hohen Herren abwechselnd zuteil, er hatte keine Favoriten, lauschte, wie sein Vater
stets gelauscht hatte, wägte ein Wort gegen das andere ab. Er hat so viel von Ned gelernt, dachte sie, während sie ihn beobachtete, aber hat er schon genug gelernt?
Schwarzfisch hatte hundert handverlesene Männer und hundert schnelle Pferde mitgenommen und war vorausgestürmt, um den Weg zu erkunden und zu sichern. Die
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