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Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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wie ein Traum. Es war das Jahr des falschen Frühlings, und er war wieder achtzehn Jahre alt, von Hohenehr zum Turnier auf Harrenhal herabgestiegen. Er sah das dunkelgrüne Gras und roch die Pollen im Wind. Warme Tage und kühle Nächte und der süße Geschmack von Wein. Er dachte an Brandons Lachen und Roberts blinde Wut im Turnier, wie er lachte, als er zur Linken und zur Rechten Männer von den Pferden stieß. Er dachte an Jaime Lennister, den güldenen Jüngling in weißer Rüstung, wie er auf dem Gras vor dem Zelt des Königs kniete und seinen Eid ablegte, dass er König Aerys schützen und verteidigen wollte. Danach half Ser Oswell Whent Jaime auf die Beine, und der Weiße Bulle höchstselbst, Lord Kommandant Ser Gerold Hohenturm, legte ihm den schneeweißen Umhang der Königsgarde um die Schultern. Alle sechs Weißen
Schwerter waren dort, um ihren neuen Bruder zu begrüßen.
    Doch als das Turnier begann, gehörte der Tag Rhaegar Targaryen. Der Kronprinz trug die Rüstung, in der er sterben sollte: einen schimmernden, schwarzen Panzer mit dem dreiköpfigen Drachen in Rubinen auf seiner Brust. Eine Fahne von roter Seide flatterte in seinem Rücken, wenn er ritt, und es schien, als könne keine Lanze ihn auch nur berühren. Brandon fiel ihm zum Opfer und Bronze Yohn Rois und selbst der glorreiche Ser Arthur Dayn, das Schwert des Morgens.
    Robert hatte mit Jon und dem alten Lord Hanter gescherzt, während der Prinz seine Ehrenrunde um den Platz drehte, nachdem er Ser Barristan im letzten Versuch, die Siegerkrone zu erringen, zu Fall gebracht hatte. Ned erinnerte sich an den Augenblick, da alles Lächeln erstarb, als Prinz Rhaegar Targaryen sein Pferd an seiner eigenen Frau, der dornischen Prinzessin Elia Martell, vorüberzwang, um den Lorbeer der Königin der Liebe und der Schönheit Lyanna auf den Schoß zu werfen. Noch heute sah er sie: eine Krone aus Winterrosen, blau wie der Frost.
    Ned Stark streckte die Hand aus, um nach der Blumenkrone zu greifen, doch unter den blassblauen Blättern lagen Dornen verborgen. Er fühlte, wie sie an seiner Haut rissen, scharf und unerbittlich, sah das Blut langsam an seinen Fingern heruntertropfen und erwachte zitternd in der Dunkelheit.
    Versprich es mir, Ned, hatte seine Schwester auf ihrem Bett aus Blut geflüstert. Sie hatte den Duft der Winterrosen so geliebt.
    »Ihr Götter, rettet mich«, weinte Ned. »Ich verliere den Verstand.«
    Die Götter ließen sich nicht zu einer Antwort herab.
    Jedes Mal, wenn der Wärter ihm Wasser brachte, sagte
er sich, ein weiterer Tag sei nun verstrichen. Anfangs flehte er den Mann um ein paar Worte über seine Töchter und die Welt jenseits der Zelle an. Als Antwort kamen nur Gegrunz und Tritte. Später, als sich sein Magen zu verkrampfen begann, bettelte er stattdessen um Nahrung. Es änderte nichts. Er bekam nichts zu essen. Vielleicht wollten die Lennisters ihn verhungern lassen. »Nein«, sagte er zu sich. Wenn Cersei Lennister seinen Tod wollte, hätte sie ihn im Thronsaal zusammen mit seinen Männern niedermachen lassen. Sie wollte ihn lebend, verzweifelt zwar, aber lebend. Catelyn hatte ihren Bruder in der Gewalt, sie würde nicht wagen, ihn zu töten, sonst wäre auch das Leben des Gnoms in Gefahr.
    Von draußen vor seiner Zelle war das Rasseln eiserner Ketten zu hören. Als die Tür sich knarrend öffnete, legte Ned eine Hand an die feuchte Wand und schob sich zum Licht. Das Flackern einer Fackel ließ ihn blinzeln. »Essen«, krächzte er.
    »Wein«, antwortete eine Stimme. Es war nicht der rattengesichtige Mann. Dieser Wärter war dicker, kleiner, wenn er auch den gleichen, kurzen Umhang mit dem spießbesetzten Stahlhelm trug. »Trinkt, Lord Eddard.« Er drückte Ned einen Weinschlauch in die Hände.
    Die Stimme war seltsam vertraut, doch brauchte Ned Stark einen Augenblick, sie einzuordnen. »Varys?« , fragte er benommen, als er sie erkannte. »Ich … ich träume nicht. Ihr seid hier.« Die runden Wangen des Eunuchen waren von dunklen Stoppeln überzogen. Ned befühlte das raue Haar mit seinen Fingern. Varys hatte sich in einen ergrauten Schließer verwandelt, der nach Schweiß und saurem Wein roch. »Wie habt Ihr … was für ein Zauberer seid Ihr?«
    »Ein durstiger«, sagte Varys. »Trinkt, Mylord.«
    Neds Hände betasteten den Schlauch. »Ist es dasselbe Gift, das man Robert gegeben hat?«

    »Ihr tut mir Unrecht«, sagte Varys traurig. »Wahrlich, niemand liebt einen Eunuchen. Gebt mir den Schlauch.« Er trank, und

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