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Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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schweben. Ihr Haar war voller Sonnenlicht, in ihrem Lächeln jedoch lagen Hohn und Spott. »Wenn man das Spiel um Throne spielt, gewinnt man, oder man stirbt«, flüsterte sie. Ned hatte gespielt und verloren, und seine Männer hatten seine Torheit mit dem Leben bezahlt.
    Wenn er an seine Töchter dachte, hätte er gern geweint, doch wollten die Tränen nicht kommen. Selbst jetzt noch war er ein Stark von Winterfell; Trauer und Zorn erstarrten in ihm zu Eis.
    Wenn er ganz stillhielt, schmerzte sein Bein nicht so sehr, also tat er sein Bestes, sich nicht zu bewegen. Wie lange, konnte er nicht sagen. Es gab keine Sonne, keinen Mond. Er konnte keine Wände sehen. Ned schloss die Augen und schlug sie wieder auf. Es machte keinen Unterschied. Er schlief und wachte auf und schlief dann wieder ein. Er wusste nicht, was schmerzlicher war, aufzuwachen oder einzuschlafen. Wenn er schlief, träumte er: düstere, verstörende Träume von Blut und gebrochenen Versprechen. Wenn er erwachte, gab es für ihn nichts zu tun als zu denken, und das war schlimmer als die Albträume. Der Gedanke an Cat brannte schmerzlich wie ein Nesselbeet. Er fragte sich, wo sie sein mochte, was sie tat. Er fragte sich, ob er sie jemals wiedersehen würde.
    Stunden wurden zu Tagen, so zumindest schien es. Er fühlte dumpfen Schmerz in seinem zertrümmerten Bein, ein Zucken unter dem Gips. Wenn er seinen Oberschenkel berührte, fühlte sich die Haut an seinen Fingern heiß an. Hören konnte er nur seinen Atem. Nach einiger Zeit fing er an, laut zu reden, nur um eine Stimme zu hören. Er
schmiedete Pläne, um nicht den Verstand zu verlieren, baute Schlösser der Hoffnung in der Finsternis. Roberts Brüder waren draußen unterwegs, sammelten Armeen auf Drachenstein und am Sturmkap. Alyn und Harwin würden mit dem Rest seiner Leibgarde nach Königsmund zurückkehren, wenn sie sich erst um Ser Gregor gekümmert hätten. Catelyn würde dafür sorgen, dass sich der Norden erhob, wenn sie erst Nachricht erhielt und die Lords von Fluss und Berg und Grünem Tal würden sich ihr anschließen.
    Er merkte, dass er mehr und mehr an Robert dachte. Er sah den König, wie er in der Blüte seiner Jugend stand, groß und ansehnlich, mit seinem gehörnten Helm auf dem Kopf, den Streithammer in der Hand, auf seinem Pferd wie ein Gott mit Hörnern. Er hörte sein Gelächter in der Dunkelheit, sah seine Augen, blau und klar wie Bergseen. »Sieh uns an, Ned«, sagte Robert. »Bei allen Göttern, wie konnte es so weit kommen? Du hier und ich von einem Schwein ermordet. Wir haben gemeinsam einen Thron erstritten …«
    Ich habe dich im Stich gelassen, Robert, dachte Ned. Er konnte die Worte nicht aussprechen. Ich habe dich belogen, die Wahrheit vertuscht. Ich habe zugelassen, dass sie dich töten.
    Der König hörte ihn. »Du steifnackiger Narr«, murmelte er, »zu stolz, um zuzuhören. Kann man Stolz essen, Stark? Schützt Ehre deine Kinder?« Risse gingen durch sein Gesicht, Furchen, die die Haut sprengten, und er griff nach oben und riss die Maske fort. Es war nicht Robert, es war Kleinfinger, grinsend, höhnend. Als er den Mund aufmachte, um zu sprechen, wurden seine Lügen zu fahlen, grauen Motten und flogen davon.
    Ned war im Halbschlaf, als Schritte durch den Gang hallten. Anfangs glaubte er, er träumte sie. Es war so lange her, dass er etwas anderes als seine eigene Stimme vernommen hatte. Inzwischen war er fiebrig, sein Bein nur dumpfe Qual, seine Lippen ausgetrocknet und gesprungen. Die
schwere Holztür öffnete sich knarrend, das plötzliche Licht brannte schmerzlich in den Augen.
    Ein Wärter hielt ihm einen Krug entgegen. Der Ton war kühl und feucht. Ned nahm ihn mit beiden Händen und trank gierig. Wasser lief von seinem Mund und tropfte durch seinen Bart. Er trank, bis er glaubte, gleich würde ihm übel werden. »Wie lange …?«, fragte er schwach, als er nicht mehr trinken konnte.
    Der Wärter war eine Vogelscheuche von einem Mann, mit Rattengesicht und fransigem Bart, im Kettenhemd mit kurzem, ledernem Umhang. »Nicht sprechen«, sagte er und riss Ned den Krug aus der Hand.
    »Bitte«, sagte Ned, »meine Töchter …« Krachend fiel die Tür ins Schloss. Er blinzelte, als das Licht verging, ließ das Kinn auf die Brust sinken und rollte sich auf dem Stroh zusammen. Es stank nicht mehr nach Urin und Kot. Es roch nach überhaupt nichts mehr.
    Er merkte keinen Unterschied zwischen Wachen und Schlafen. In der Dunkelheit kam die Erinnerung über ihn, so lebendig

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