Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
Grünseher versuchten, den Hammer des Wassers auf die Eng hinunterzubringen. Vielleicht verfügen sie über ihr geheimes Wissen.«
Plötzlich schien es im Wald um einiges dunkler zu sein, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Wenn ein Junge Unfug redete, war das eine Sache, doch von Maestern erwartete man eigentlich Weisheit. »Die einzigen Kinder, die mich interessieren, sind Bran und Rickon«, sagte Theon. »Zurück zum Bach. Sofort.«
Einen Augenblick dachte er, sie würden ihm den Gehorsam verweigern, doch am Ende setzte sich alte Gewohnheit durch. Sie folgten zwar unwillig, doch sie kamen mit. Der Freyjunge war genauso nervös wie das Kaninchen, das er zuvor erlegt hatte. Theon teilte die Männer für beide Ufer ein und folgte der Strömung. Meilenweit ritten sie langsam und vorsichtig, stiegen ab, um die Pferde über trügerische Stellen
zu führen, und ließen die Hunde, für Theon jetzt die Bärenköder, an jedem Busch schnüffeln. Wo ein umgefallener Baum den Bach staute, mussten sie einen tiefgrünen Teich umgehen, doch falls die Schattenwölfe das Gleiche getan hatten, ließ sich kein Beweis dafür finden. Die Biester waren geschwommen, schien es. Wenn ich sie erwische, können sie schwimmen, so lange sie wollen. Ich werde sie beide dem Ertrunkenen Gott opfern.
Schließlich wurde es dunkel im Wald, und Theon Graufreud wusste, dass er geschlagen war. Entweder kannten die Pfahlbaumenschen tatsächlich die Magie der Kinder des Waldes, oder Osha hatte sie mit einem Wildlingstrick getäuscht. Er drängte sich durch die Dämmerung weiter, dann jedoch, im letzten Tageslicht fasste Joseth sich endlich ein Herz und wandte sich an ihn: »Das ist nutzlos, Mylord. Die Pferde werden sich nur die Beine brechen.«
»Joseth hat Recht«, stimmte Maester Luwin zu. »Bei Fackellicht durch die Wälder zu streifen, wird uns nicht helfen. «
Theon kam die Galle hoch, und in seinem Magen schienen sich Schlangen zu winden und nacheinander zu schnappen. Wenn er mit leeren Händen nach Winterfell zurückkehrte, konnte er genauso gut das Narrenkostüm anlegen; der ganze Norden würde über ihn lachen. Und wenn mein Vater das erfährt oder Asha …
»Mylord Prinz.« Stinker drängte sein Pferd heran. »Es könnte sein, dass die Starks niemals hier entlanggekommen sind. Ich an ihrer Stelle wäre nach Norden und Osten gezogen. Zu den Umbers. Das sind treue Starkmänner, ganz gewiss. Bloß, bis zu ihrem Land ist es ein weiter Weg. Die Jungen werden an einem Ort Schutz suchen, der näher liegt. Vielleicht weiß ich, wo.«
Theon blickte ihn misstrauisch an. »Sag schon.«
»Kennt Ihr die alte Mühle, die so einsam am Ahornwasser steht? Wir haben dort angehalten, als man mich nach Winterfell
verschleppt hat. Die Müllerin hat uns Stroh für die Pferde verkauft, während der alte Ritter mit ihren Kindern herumgeschäkert hat. Vielleicht verstecken sich die Starks dort.«
Die Mühle kannte Theon. Er hatte ein oder zwei Mal mit der Müllerin angebandelt. Weder die Mühle noch die Frau waren etwas Besonderes. »Warum dort? Es gibt ein Dutzend Festen und Dörfer, die genauso nah sind.«
Die blassen Augen leuchteten vor Vergnügen. »Warum? Das weiß ich auch nicht. Aber dass sie da sind, das habe ich im Gefühl.«
Langsam hatte er die oberschlauen Antworten des Mannes satt. Seine Lippen sehen aus wie zwei Würmer, die es miteinander treiben. »Was sagst du da? Wenn du mir irgendetwas vorenthalten hast …«
»M’lord Prinz?« Stinker stieg ab und bedeutete Theon, das Gleiche zu tun. Als sie am Boden standen, öffnete er den Sack, den er aus Winterfell mitgebracht hatte. »Seht Euch dies an.«
Inzwischen war es schwierig, etwas zu erkennen. Theon steckte ungeduldig die Hand in den Sack und strich über weiches Fell und raue Wolle. Eine scharfe Spitze stach in seine Haut, und seine Finger schlossen sich um etwas Kaltes und Hartes. Er zog eine Wolfskopfbrosche aus Silber und Jett hervor. Jäh begriff er. Er schloss die Hand zur Faust. »Gelmarr«, sagte er und fragte sich, wem er wohl vertrauen konnte. Keinem von ihnen. »Aggar. Rotnase. Mit uns. Der Rest von euch kann mit den Hunden nach Winterfell zurückkehren. Ich brauche sie nicht mehr. Jetzt weiß ich, wo sich Bran und Rickon verstecken.«
»Prinz Theon«, flehte Maester Luwin, »Ihr werdet Euch doch an Euer Versprechen erinnern? Ihr hattet mir Gnade zugesichert.«
»Gnade hätte es heute Morgen gegeben«, entgegnete Theon. Besser als grausam gelten denn als
Weitere Kostenlose Bücher