Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
töricht. »Bevor sie mich zornig gemacht haben.«
JON
Sie konnten das Feuer in der Nacht sehen, wie es an den Hängen des Berges leuchtete wie ein abgestürzter Stern. Es brannte röter als die anderen Sterne und flackerte nicht, obwohl es manchmal hell aufflammte und dann wieder zu einem fernen, schwachen Funken verglomm.
Eine halbe Meile vor uns, und etwa siebenhundert Meter höher, schätzte Jon. Ein perfekter Ort, um den Pass unten zu bewachen.
»Wächter im Klagenden Pass«, sagte der Älteste unter ihnen. Im Frühling seiner Jugend war er Knappe eines Königs gewesen, und noch immer nannten ihn die schwarzen Brüder Knappe Dalbrück. »Wovor fürchtet sich Manke Rayder, frage ich mich?«
»Wenn er wüsste, dass sie ein Feuer angezündet haben, würde er den armen Schweinen die Haut abziehen«, bemerkte Ebben, ein gedrungener, glatzköpfiger Kerl mit Muskeln wie Steinblöcke.
»Das Feuer dort oben bedeutet Leben«, meinte Qhorin Halbhand, »kann aber genauso gut den Tod bringen.« Auf seinen Befehl hin hatten sie kein Feuer zu entzünden gewagt, seit sie in die Berge vorgedrungen waren. Sie aßen kaltes Salzfleisch, hartes Brot und noch härteren Käse, schliefen zusammen unter Stapeln von Mänteln und Fellen und waren dankbar für die Wärme der anderen. Jon fühlte sich an längst vergangene kalte Nächte auf Winterfell erinnert, wenn er das Bett mit seinen Brüdern geteilt hatte. Die Männer waren ebenfalls Brüder, doch das Bett, das sie teilten, bestand aus Stein und Erde.
»Sie werden ein Horn haben«, vermutete Steinschlange.
Halbhand sagte: »Ein Horn, das sie auf keinen Fall blasen dürfen.«
»Das wäre bei Nacht ein langer, grausamer Aufstieg«, sagte Ebben, während er durch eine Spalte in den Felsen, die sie verbargen, zu dem hellen Funken hinaufsah. Am Himmel zeigte sich keine Wolke, die zerklüfteten Berge erhoben sich schwarz in die Höhe bis zu den Gipfeln, deren von Schnee und Eis gekrönte Spitzen im Mondlicht bleich leuchteten.
»Und ein noch längerer Fall«, erwiderte Qhorin Halbhand. »Zwei Männer, würde ich sagen. Vermutlich sind sie zu zweit, um sich bei der Wache abzuwechseln.«
»Ich.« Der Grenzer mit Namen Steinschlange hatte bereits unter Beweis gestellt, dass er der beste Kletterer war. Daran bestand kein Zweifel.
»Und ich«, sagte Jon Schnee.
Qhorin Halbhand sah ihn an. Jon hörte das Klagen des Windes, der durch den Pass über ihnen pfiff. Eines der kleinen Pferde wieherte und stampfte mit dem Huf auf den steinigen Boden der flachen Senke, in der sie Schutz gesucht hatten. »Der Wolf bleibt bei uns«, bestimmte Qhorin. »Weißes Fell sieht man zu leicht im Mondlicht.« Er wandte sich an Steinschlange. »Wenn es erledigt ist, werft ein Stück brennendes Holz herunter. Dann folgen wir euch.«
»Am besten machen wir uns gleich auf den Weg«, meinte Steinschlange.
Jeder nahm ein langes, aufgewickeltes Seil. Steinschlange trug dazu einen Beutel mit Eisennägeln und einen kleinen Hammer, dessen Kopf dick mit Filz umwickelt war. Ihre Pferde ließen sie zurück, ebenso ihre Helme, die Kettenhemden und Geist. Jon kniete sich vor den Schattenwolf und drückte ihn, bevor sie aufbrachen. »Bleib hier«, befahl er. »Ich komme bald zurück.«
Steinschlange übernahm die Führung. Er war ein kleiner, drahtiger Mann, der sich den Fünfzig näherte und einen
grauen Bart hatte, doch er war stärker, als es den Anschein hatte und besaß ungewöhnlich gute Augen. Heute Nacht würde er sie brauchen. Bei Tage waren die Berge graublau und mit Reif bedeckt, doch nachdem die Sonne erst einmal hinter den zerklüfteten Gipfeln verschwunden war, wurden sie schwarz. Jetzt rahmte der aufgehende Mond sie mit silberweißem Saum.
Die schwarzen Brüder bewegten sich inmitten schwarzer Felsen durch schwarze Schatten und arbeiteten sich einen steilen, gewundenen Pfad hinauf, während ihr Atem in der schwarzen Luft dampfte. Jon fühlte sich ohne sein Kettenhemd fast nackt, obwohl er das Gewicht nicht vermisste. Mühselig und langsam ging es voran. Wenn man sich hier zu sehr beeilte, riskierte man leicht einen gebrochenen Knöchel oder Schlimmeres. Steinschlange schien fast instinktiv zu wissen, wohin er die Füße setzte, Jon jedoch musste auf dem rauen, unebenen Grund genau aufpassen.
Der Klagende Pass war eigentlich eine Folge von mehreren Pässen, eine lange, verschlungene Strecke, die um eisige, windumtoste Gipfel hinauf- und durch versteckte Täler, welche die Sonne selten zu Gesicht
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