Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
auch Bran Eure Worte.«
»Du bittest einen Lahmen, einen Krüppel das Tanzen zu lehren«, sagte Tyrion. »So ernsthaft die Lektion auch sein mag, dürfte das Ergebnis doch eher grotesk ausfallen. Nur weiß ich, was es heißt, einen Bruder zu lieben, Lord Schnee. Ich will Bran alles an Hilfe geben, was in meiner Macht steht, so wenig es auch sein mag.«
»Ich danke Euch, Mylord von Lennister.« Er zog seinen Handschuh aus und reichte ihm die nackte Hand. »Freund.«
Tyrion war seltsam gerührt. »Die meisten aus meiner Verwandtschaft sind Bastarde«, sagte er mit schiefem Lächeln, »aber du bist der erste, den ich zum Freund habe.« Mit den Zähnen zog er seinen Handschuh aus und nahm Schnees Hand, Haut auf Haut. Der Junge hatte einen festen, kräftigen Druck.
Als er den Handschuh wieder angezogen hatte, wandte sich Jon Schnee abrupt um und trat an die niedrige, eisige Nordbrüstung. Vor ihm fiel die Mauer jäh ab. Vor ihm waren nur Dunkelheit und Wildnis. Tyrion folgte ihm, und Seite an Seite standen sie am Rand der Welt.
Die Nachtwache ließ den Wald nicht näher als eine halbe Meile an die Nordwand der Mauer kommen. Das Dickicht aus Eisenholz und Wachbäumen und Eichen, das einst dort gewachsen war, hatte man schon vor Jahrhunderten gerodet und eine freie Fläche geschaffen, die kein Feind ungesehen überqueren konnte. Tyrion hatte gehört, dass an anderer Stelle der Mauer, zwischen den drei Festungen, der wilde Wald im Laufe der Jahrzehnte wieder zurückgekrochen war. An manchen Orten hatten graugrüne Wachbäume und fahlweiße Wehrbäume im Schatten der Mauer Wurzeln geschlagen, doch die Schwarze Festung hatte einen gewaltigen Bedarf an Feuerholz, und hier wurde der Wald noch immer von den Äxten der schwarzen Brüder in Schach gehalten.
Doch war er nie weit. Von hier oben konnte Tyrion sehen, wie die dunklen Bäume jenseits der freien Fläche aufragten wie eine zweite Mauer, die man parallel zur ersten errichtet hatte, eine Mauer der Nacht. Nur wenige Äxte waren je in diesem schrecklichen Wald geschwungen worden, wo nicht einmal das Mondlicht das uralte Gewirr von Wurzeln und Dornen und gierigen Ästen durchdringen konnte. Dort drüben wuchsen riesige Bäume, und die Grenzwachen sagten, sie schienen zu brüten und kannten keine Menschen. Es konnte nicht verwundern, dass die Nachtwache vom Verfluchten Wald sprach.
Während er dort stand und diese Finsternis betrachtete, in der nirgendwo ein Feuer brannte, in welcher der Wind wehte und die Kälte wie ein Speer in seine Magengrube stach, schien es Tyrion Lennister, als konnte er fast das Geschwätz über die Anderen, die Feinde in der Nacht, für bare Münze nehmen. Seine Scherze von Grumkins und Snarks schienen nicht mehr ganz so spaßig.
»Mein Onkel ist da draußen«, flüsterte Jon und stützte sich auf seinen Speer, derweil er in die Dunkelheit starrte. »In der ersten Nacht, die man mich hier oben Wache schieben ließ, dachte ich, heute kommt Onkel Benjen zurück, und ich bin der Erste, der ihn sieht, und dann stoße ich ins Horn. Nur ist er nie gekommen. Nicht in jener Nacht und nicht in irgendeiner Nacht seither.«
»Lass ihm Zeit«, sagte Tyrion.
Weit im Norden fing ein Wolf an zu heulen. Eine weitere Stimme nahm den Ruf auf, dann noch eine. Geist neigte den Kopf und lauschte. »Wenn er nicht zurückkehrt«, versprach Jon, »werden Geist und ich ihn suchen.« Er legte seine Hand auf den Kopf des Schattenwolfs.
»Das glaube ich dir«, sagte Tyrion, doch was er dachte, war: Und wer sucht dann nach dir? Ein Schauer lief ihm über den Rücken.
ARYA
Ihr Vater hatte wieder mit dem Rat gestritten. Arya konnte es an seinem Gesicht sehen, als er zu Tisch kam, wiederum zu spät, wie so oft schon. Der erste Gang, eine dicke, süße Suppe aus Kürbissen, war bereits abgedeckt, als Ned Stark den Kleinen Saal betrat. So nannte man ihn, um ihn von dem Großen Saal zu unterscheiden, in welchem der König tausend Gäste bewirten konnte, dennoch war der Kleine Saal ein langer Raum mit hohem Gewölbe, und auf den Bänken fand sich Platz für zweihundert Leute.
»Mylord«, sagte Jory, als Vater eintrat. Er stand auf und der Rest der Garde mit ihm. Jeder dieser Männer trug einen neuen Umhang, schwere, graue Wolle mit weißer Borte. Eine Hand aus Blattsilber hielt die wollenen Falten der Umhänge zusammen und kennzeichnete die Träger als Männer der Leibgarde der Rechten Hand. Sie waren nur fünfzehn, sodass die meisten Bänke leer standen.
»Behaltet
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