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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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sollte und wie man Stahl am besten temperte. Am nächsten Tag mochte es Hullen
mit seinem endlosen Gerede von Pferden sein, oder Septon Chayle aus der Bibliothek oder Jory oder Ser Rodrik oder sogar die Alte Nan mit ihren Geschichten.
    Arya hatte nichts mehr geliebt, als am Tisch ihres Vaters zu sitzen und ihnen allen zuzuhören. Auch hatte sie es geliebt, den Männern auf den Bänken zu lauschen, fahrenden Rittern, zäh wie Leder, höflichen Rittern und kühnen, jungen Knappen, ergrauten, alten Recken. Sie warf Schneebälle nach ihnen und half, Pasteten aus der Küche zu stehlen. Deren Frauen gaben ihr Kuchen, und sie erfand Namen für ihre Säuglinge und spielte Monster-und-Maid und Such-den-Schatz und Komm-auf-mein-Schloss mit deren Kindern. Der dicke Tom nannte sie oft »Arya im Wege«, denn er sagte, im Wege stehe sie stets. Es gefiel ihr weitaus besser als »Arya Pferdegesicht«.
    Nur war das Winterfell eine andere Welt, und jetzt hatte sich alles verändert. Heute aßen sie seit ihrer Ankunft in Königsmund zum ersten Mal mit den Männern. Arya hasste es. Sie hasste den Klang ihrer Stimmen, die Geschichten, die sie erzählten. Sie waren ihre Freunde gewesen, sie hatte sich bei ihnen sicher gefühlt, doch das war alles nur Lüge gewesen. Sie hatten zugelassen, dass die Königin Lady tötete, das war schlimm genug, doch dann hatte der Bluthund Mycah gefunden. Jeyne Pool hatte Arya erzählt, man habe ihn in so viele Teile gehackt, dass er dem Schlachter in einem Sack gebracht wurde, und anfangs hatte der arme Mann geglaubt, es sei ein geschlachtetes Schwein gewesen. Und niemand hatte etwas gesagt oder eine Klinge gezogen oder irgendwas , weder Harwin, der immer so kühn daherredete, noch Alyn, aus dem ein Ritter werden sollte, oder Jory, der Hauptmann der Garde war. Nicht einmal ihr Vater.
    »Er war mein Freund «, flüsterte Arya ihrem Teller zu, ganz leise, damit niemand sie hörte. Unangetastet lag ihr Rippenspeer da, inzwischen kalt, und eine dünne Fettschicht sammelte sich darunter auf dem Teller. Arya betrachtete das Essen, und ihr wurde übel. Sie begann sich zu erheben.

    »Was glaubst du, wohin du gehst, junge Dame?«, fragte Septa Mordane.
    »Ich habe keinen Hunger.« Arya hatte große Mühe, sich der höfischen Umgangsform zu erinnern. »Dürfte ich mich bitte entschuldigen?«, rezitierte sie steif.
    »Das darfst du nicht«, sagte die Septa. »Du hast dein Essen kaum angerührt. Du setzt dich hin und isst deinen Teller leer.«
    »Esst es doch selbst!« Bevor noch irgendwer sie aufhalten konnte, stürmte Arya zur Tür, während die Männer lachten und Septa Mordane ihr laut etwas nachrief.
    Der dicke Tom war auf seinem Posten und bewachte die Tür zum Turm der Hand. Er wunderte sich, als Arya ihm entgegenstürmte und er die Septa rufen hörte. »Moment mal, meine Kleine«, wollte er sagen und griff nach ihr, doch schob sich Arya an ihm vorbei und rannte die Wendeltreppe des Turmes hinauf, wobei ihre Füße auf dem Steinboden klapperten, während der dicke Tom hinter ihr keuchte.
    Ihre Schlafkammer war der einzige Ort, den Arya in ganz Königsmund mochte, und am besten gefiel ihr daran die Tür, ein massiver Brocken dunkler Eiche mit schwarzen, eisernen Beschlägen. Wenn sie diese Tür zuknallte und den schweren Riegel vorschob, konnte niemand in ihr Zimmer kommen, weder Septa Mordane oder der dicke Tom noch Sansa oder Jory oder der Bluthund, niemand! Jetzt knallte sie sie zu.
    Als der Riegel unten war, fühlte sich Arya endlich sicher genug, dass sie weinen konnte.
    Sie lief zum Fenster und setzte sich hin, schniefte, hasste jeden und sich selbst am meisten. Es war alles ihre Schuld, alles Schlechte, was geschehen war. Sansa sagte es, und Jeyne auch.
    Der dicke Tom klopfte an ihre Tür. »Arya, Mädchen, was ist denn los?«, rief er. »Bist du da drinnen?«
    »Nein!«, rief sie. Das Klopfen verstummte. Einen Augenblick später hörte sie ihn gehen. Der dicke Tom war stets leicht zu narren.

    Arya trat an die Truhe am Fußende ihres Bettes. Sie kniete nieder, klappte den Deckel auf und begann, ihre Kleider mit beiden Händen herauszuwühlen, nahm beide Hände voller Seide und Satin und Samt und Wolle und warf alles auf den Boden. Dort, am Boden der Truhe hatte sie es versteckt. Fast zärtlich nahm Arya es hervor und zog die schlanke Klinge aus der Scheide.
    Nadel.
    Wieder dachte sie an Mycah, und Tränen traten in ihre Augen. Ihre Schuld, ihre Schuld, ihre Schuld. Wenn sie ihn nie gebeten hätte,

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