Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
Vom Netzwerk:
wären. »Ich verspreche Euch, der König wird von Euren Nöten erfahren«, gelobte Tyrion feierlich, »und ich werde außerdem mit meinem Vater und meinem Bruder Jaime sprechen.« Und das würde er auch. Tyrion stand für sein Wort ein. Den Rest ließ er ungesagt. Dass König Robert ihn ignorieren, Lord Tywin ihn fragen, ob er den Verstand verloren habe, und Jaime nur lachen würde.
    »Ihr seid ein junger Mann, Tyrion«, setzte Mormont wieder an. »Wie viele Winter habt Ihr schon erlebt?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Acht, neun, ich weiß nicht.«
    »Und alle davon kurz.«
    »Wie Ihr es sagt, Mylord.« Er war mitten in einem Winter geboren, einem besonders schrecklichen Winter, von dem die Maester sagten, er habe fast drei Jahre gedauert, doch Tyrions früheste Erinnerungen galten dem Frühling.

    »Als ich klein war, sagte man, ein langer Sommer bedeute stets, dass auch ein langer Winter folgte. Dieser Sommer dauerte neun Jahre , Tyrion, und ein zehntes wird sich bald anschließen. Denkt daran.«
    »Als ich klein war«, erwiderte Tyrion, »erzählte meine Amme mir, dass eines Tages, sofern die Menschen gut seien, die Götter der Welt einen Sommer ohne Ende schenken würden. Vielleicht waren wir besser, als wir denken, und der Große Sommer ist endlich gekommen.« Er grinste.
    Der Lord Kommandant schien darüber nicht lachen zu können. »Ihr seid nicht Narr genug, um das zu glauben, Mylord. Schon werden die Tage kürzer. Es kann kein Zweifel daran bestehen. Aemon hat Briefe von der Citadel bekommen, Erkenntnisse, die mit seinen eigenen übereinstimmen. Das Ende des Sommers steht uns kurz bevor.« Mormont streckte einen Arm aus und hielt Tyrion fest bei der Hand. »Ihr müsst es ihnen begreiflich machen. Ich sage Euch, Mylord, die Finsternis kommt. Es gibt wilde Tiere in den Wäldern, Schattenwölfe und Mammuts und Schneebären von der Größe eines Auerochsen, und in meinen Träumen habe ich noch finsterere Gestalten gesehen.«
    »In Euren Träumen«, wiederholte Tyrion und dachte daran, wie dringend er noch einen starken Trunk benötigte.
    Mormont war dem scharfen Unterton in seiner Stimme gegenüber taub. »Die Fischer bei Ostwacht haben Weiße Wanderer am Ufer gesehen.«
    Diesmal konnte Tyrion seine Zunge nicht hüten. »Die Fischer von Lennishort sehen oftmals Meerjungfrauen.«
    »Denys Mallister schreibt, dass die Bergmenschen gen Süden ziehen und in größerer Zahl als je zuvor am Schattenturm vorüberkommen. Sie fliehen, Mylord … nur wovor fliehen sie?« Lord Mormont trat ans Fenster und starrte in die Nacht hinaus. »Meine Knochen sind alt, Lennister, doch haben sie nie zuvor eine Kälte wie diese gespürt. Berichtet dem König, was ich Euch sage, ich bitte Euch. Der Winter naht , und wenn die Lange Nacht kommt, wird nur die Nachtwache
zwischen dem Reich und der Finsternis stehen, die von Norden her drängt. Die Götter mögen uns beistehen, wenn wir darauf nicht vorbereitet sind.«
    »Die Götter mögen mir beistehen, wenn ich heute Nacht nicht etwas Schlaf bekomme. Yoren ist fest entschlossen, beim ersten Licht des Tages aufzubrechen.« Tyrion erhob sich, schläfrig vom Wein und des Untergangs müde. »Ich danke Euch für alle Freundlichkeit, die Ihr mir entgegengebracht habt, Lord Mormont.«
    »Erzählt es ihnen, Tyrion. Erzählt es ihnen, damit sie es glauben. Das ist aller Dank, den ich brauche.« Er stieß einen Pfiff aus, und sein Rabe flog zu ihm und hockte sich auf seine Schulter. Mormont lächelte und gab dem Vogel ein paar Körner aus seiner Tasche, und so ließ Tyrion ihn zurück.
    Draußen war es bitterkalt. In dicke Felle gewickelt zog Tyrion seine Handschuhe an und nickte den armen, erfrorenen Wichten zu, die vor dem Turm des Kommandanten Wache schoben. Er machte sich auf den Weg über den Hof zu seinen eigenen Gemächern im Königsturm, wobei er so schnell ging, wie seine kurzen Beine es zuließen. Schnee knirschte unter seinen Füßen, wenn seine Stiefel die nächtliche Kruste durchbrachen, und sein Atem dampfte vor ihm wie ein Banner. Er schob die Hände unter die Achseln und lief schneller, betete, dass Morrec daran gedacht hatte, sein Bett mit heißen Ziegeln aus dem Feuer vorzuwärmen.
    Hinter dem Königsturm schimmerte die Mauer im Licht des Mondes, unermesslich und geheimnisvoll. Einen Augenblick blieb Tyrion stehen, um hinaufzusehen. Seine Beine schmerzten vor Kälte und Eile.
    Plötzlich ergriff ihn eine seltsame Tollheit, die Sehnsucht, einmal noch über das Ende der Welt

Weitere Kostenlose Bücher