Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
dem Nordrand am nächsten war, wo der Kies am frischesten zu sein schien.
Seine nackten Wangen waren rot vor Kälte, und seine Beine beklagten sich mit jedem Schritt, doch Tyrion beachtete sie nicht. Der Wind umwehte ihn, Kies knirschte unter seinen Füßen, während vor ihm das weiße Band der Form der Hügel folgte, höher und immer höher anstieg, bis es sich jenseits des westlichen Horizontes verlor. Er kam an einem mächtigen Katapult vorüber, so hoch wie eine Stadtmauer, dessen Fuß tief in der Mauer versenkt war. Der Wurfarm war zur Reparatur entfernt und dann vergessen worden. Er lag dort wie ein zerbrochenes Spielzeug, halb von Eis umschlossen.
Von der anderen Seite des Katapultes war eine Stimme zu hören. »Wer geht da? Halt!«
Tyrion blieb stehen. »Wenn ich zu lange stehen bleibe, werde ich festfrieren, Jon«, rief er, als leise eine helle, zottige Gestalt angelaufen kam und an seinen Fellen schnüffelte. »Hallo, Geist.«
Jon Schnee trat näher. Mit seinen Schichten von Fell und Leder sah er größer und schwerer aus, und die Kapuze seines Mantels hatte er tief ins Gesicht gezogen. »Lennister«, sagte er und riss den Schal von seinem Mund. »Hier hätte ich Euch zuallerletzt erwartet.« Er trug einen schweren Speer mit Eisenspitze, größer als er selbst, und ein Schwert saß in der Lederscheide an seiner Seite. Vor seiner Brust hing ein schwarz schimmerndes Kriegshorn mit silbernem Gurt.
»Hier hätte ich zuallerletzt erwartet, dass mich jemand sieht«, gab Tyrion zu. »Ich bin einer plötzlichen Eingebung gefolgt. Wenn ich Geist anfasse, wird er mir die Hand abreißen? «
»Nicht wenn ich dabei bin«, versicherte Jon.
Tyrion kraulte den weißen Wolf hinter den Ohren. Die roten Augen betrachteten ihn gleichmütig. Das Tier reichte ihm inzwischen bis zur Brust. Ein Jahr noch, so fürchtete Tyrion, dann würde er zu ihm aufblicken. »Was machst du heute Nacht hier oben?«, fragte er. »Abgesehen davon, dass du dir deine Männlichkeit abfrierst …«
»Ich bin zur Wache eingeteilt«, erklärte Jon. »Schon wieder. Ser Allisar hat freundlicherweise dafür gesorgt, dass der Wachhabende besonderes Interesse für mich hegt. Er scheint zu glauben, wenn sie mich die halbe Nacht wach halten, schlafe ich bei den morgendlichen Übungen ein. Bisher habe ich ihn enttäuscht.«
Tyrion grinste. »Und hat Geist schon das Jonglieren gelernt? «
»Nein«, sagte Jon lächelnd, »aber Grenn hat sich heute Morgen gegen Halder behauptet, und Pyp verliert sein Schwert nicht mehr ganz so oft wie sonst.«
»Pyp?«
»Pypar ist sein richtiger Name. Der kleine Junge mit den großen Ohren. Er hat gesehen, wie ich mit Grenn arbeite, und mich dann um Hilfe gebeten. Thorn hatte ihm noch nie gezeigt, wie man ein Schwert richtig hält.« Er wandte sich um und sah nach Norden. »Ich habe eine Meile der Mauer zu bewachen. Wollt Ihr mit mir gehen?«
»Sofern du langsam gehst«, sagte Tyrion.
»Der Wachhabende sagt, dass ich in Bewegung bleiben muss, damit mein Blut nicht gefriert, aber er hat nicht gesagt, wie schnell.«
Sie gingen, mit Geist wie einem weißen Schatten an Jons Seite. »Ich reise am Morgen ab«, sagte Tyrion.
»Ich weiß.« Jon klang seltsam traurig.
»Ich habe vor, auf dem Weg in den Süden auf Winterfell Station zu machen. Falls es eine Nachricht gibt, die ich für dich überbringen kann …«
»Sagt Robb, dass ich die Nachtwache kommandieren und ihn sichern werde, sodass er ebenso gut mit den Mädchen
stricken und Mikken bitten kann, sein Schwert zu Hufeisen einzuschmelzen.«
»Dein Bruder ist größer als ich.« Tyrion lachte. »Ich weigere mich, Botschaften zu überbringen, die mich das Leben kosten können.«
»Rickon wird fragen, wann ich heimkomme. Versucht zu erklären, wohin ich gegangen bin, falls Ihr es könnt. Sagt ihm, er kann alle meine Sachen haben, solange ich weg bin, das wird ihm gefallen.«
Die Leute schienen heute eine ganze Menge von ihm zu verlangen, dachte Tyrion Lennister. »Du könntest das alles in einem Brief festhalten, weißt du.«
»Rickon kann noch nicht lesen. Bran …« Plötzlich hielt er inne. »Ich weiß nicht, welche Nachricht ich Bran senden soll. Helft ihm, Tyrion.«
»Wie könnte ich ihm helfen? Ich bin kein Maester, der seine Schmerzen lindern kann. Ich kenne keinen Zauber, der ihm seine Beine wiedergeben könnte.«
»Ihr habt mir geholfen, als ich es brauchte«, erwiderte Jon Schnee.
»Ich habe dir nichts gegeben«, sagte Tyrion. »Worte.«
»Dann gebt
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