Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
allerdings war alles. Sogar ihre Tränen behält sie für sich.
Zorn und Schmerz hatte er erwartet, als er ihr vom Tod ihres Bruders erzählte, doch Sansas Gesicht war so ausdruckslos geblieben, dass er einen Augenblick lang befürchtet hatte, sie habe ihn nicht verstanden. Erst später, nachdem sich die schwere Eichentür zwischen ihnen geschlossen hatte, hörte er ihr Schluchzen. Tyrion hatte darüber nachgedacht, zu ihr zu gehen, um ihr das wenige an Trost anzubieten, das er anbieten konnte. Nein, musste er einsehen, bei einem Lennister sucht sie keinen Trost. Das Einzige, was er tun konnte, war, ihr die hässlichen Einzelheiten der Roten Hochzeit zu ersparen, die von den Zwillingen berichtet wurden. Sansa brauchte nicht zu hören, wie die Leiche ihres Bruders zerhackt und verstümmelt worden war oder wie man den Leichnam ihrer Mutter nackt in den Grünen Arm geworfen hatte als grausame Verhöhnung der Bestattungsbräuche des Hauses Tully. Das Letzte, was das Mädchen brauchte, war Nahrung für neue Albträume.
Dennoch genügte das nicht. Er hatte ihr seinen Mantel um die Schultern gelegt und geschworen, sie zu beschützen, doch das war ein ebenso schlechter Scherz wie die Krone, die die Freys dem Kopf von Robb Starks Schattenwolf aufgesetzt hatten, nachdem man dem ermordeten König des Nordens diesen
auf den enthaupteten Leib genäht hatte. Sansa wusste das ebenso. Die Art und Weise, wie sie ihn ansah, ihre steifen Bewegungen, wenn sie ins Bett stieg … In ihrer Nähe konnte er nie, nicht einmal für einen Augenblick vergessen, wer er war oder was er war. So, wie sie es nicht vergessen konnte. Immer noch ging sie jeden Abend in den Götterhain und betete, und Tyrion fragte sich, ob sie wohl um seinen Tod bat. Sie hatte ihr Heim verloren, ihren Platz in der Welt und alle, die sie je geliebt oder denen sie vertraut hatte. Der Winter naht , warnten die Worte der Starks, und wahrhaftig war er für sie mit aller Gewalt hereingebrochen. Wohingegen für das Haus Lennister Hochsommer ist. Warum ist mir dann so verflucht kalt?
Er zog sich die Stiefel an, schloss den Mantel mit der Löwenkopfbrosche und schlüpfte hinaus in den Fackelschein auf dem Gang. Ein Gutes hatte seine Ehe jedoch: Sie hatte ihm die Flucht aus Maegors Feste ermöglicht. Jetzt, da er eine Gemahlin und einen eigenen Haushalt hatte, hatte sein Hoher Vater eingesehen, dass er eine passendere Unterkunft brauchte, und Lord Gil war sehr plötzlich aus seinen großzügigen Gemächern oben im Küchenturm ausquartiert worden. Und prächtig waren diese Gemächer noch dazu, mit einem großen Schlafzimmer und einem angemessenen Solar, einem Bad und einem Ankleidezimmer für seine Frau sowie angrenzenden Kammern für Pod und für Sansas Zofen. Sogar Bronns Zelle an der Treppe hatte eine Art Fenster. Nun ja, eigentlich mehr eine Schießscharte, aber wenigstens kommt Licht herein. Die Hauptküche der Burg lag genau gegenüber, sicherlich, doch lieber nahm Tyrion die Geräusche und Gerüche in Kauf, als Maegors Feste mit seiner Schwester zu teilen. Je seltener er Cersei sehen musste, desto glücklicher war er.
Tyrion hörte Brellas Schnarchen, während er an ihrer Zelle vorbeiging. Shae beschwerte sich darüber, allerdings erschien ihm das ein kleiner Preis zu sein. Varys hatte ihm die Frau vorgeschlagen; früher hatte sie Lord Renly den Haushalt geführt, und so war sie geübt darin, blind, taub und stumm zu sein.
Er zündete einen Wachsstock an, ging zur Dienstbotentreppe und stieg hinunter. Die Stockwerke unter seinem lagen still da, und außer seinen eigenen Schritten war nichts zu hören. Bis zum Erdgeschoss stieg er hinab und noch tiefer, um sich schließlich in einem düsteren Keller mit Steingewölbe wiederzufinden. Viele Gebäude der Burg waren unterirdisch miteinander verbunden, und der Küchenturm bildete da keine Ausnahme. Tyrion watschelte einen langen dunklen Gang entlang, bis er die Tür fand, die er gesucht hatte, und den Raum dahinter betrat.
Drinnen erwarteten ihn die Drachenschädel und Shae. »Ich dachte schon, Mylord hätte mich vergessen.« Ihr Kleid hatte sie über einen schwarzen Zahn gehängt, der beinahe so groß war wie sie selbst, und sie stand nackt zwischen den Kiefern des Drachen. Balerion, dachte er. Oder war es Vhagar? Ein Drachenschädel sah mehr oder weniger aus wie der andere.
Schon bei Shaes Anblick erwachte seine Männlichkeit zum Leben. »Komm da heraus.«
»Nein.« Sie setzte ihr verruchtestes Lächeln auf. »Mylord
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