Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
gekommen waren. Wenn man hier steht, wirkt sie so gewaltig, als würde sie dich im nächsten Moment zermalmen.
Jon kehrte zu den anderen zurück. »Wir müssen das äußere Tor so gut wie möglich reparieren und danach diesen Abschnitt
des Tunnels zuschütten. Mit Schutt, Eisbrocken, allem, was wir finden. Bis zum zweiten Tor hin, wenn wir es schaffen. Ser Wynten wird den Befehl übernehmen müssen, er ist der letzte Ritter, den wir haben, aber er muss sofort handeln, die Riesen werden zurückkommen, ehe wir uns versehen. Wir müssen ihm sagen …«
»Sag ihm, was du willst«, unterbrach ihn Maester Aemon leise. »Er wird lächeln, nicken und es vergessen. Vor dreißig Jahren haben Ser Wynten Feist nur ein Dutzend Stimmen gefehlt, um Lord Kommandant zu werden. Er wäre eine gute Wahl gewesen. Vor zehn Jahren hätte er die Aufgabe immer noch gut bewältigen können. Heute nicht mehr. Das weißt du genauso gut, wie Donal es wusste, Jon.«
Das stimmte allerdings. »Dann gebt Ihr den Befehl«, verlangte Jon vom Maester. »Ihr habt Euer ganzes Leben auf der Mauer verbracht, die Männer werden Euch gehorchen. Wir müssen das Tor verschließen.«
»Ich bin ein Maester mit Kette und Gelübde. Mein Orden existiert, um zu dienen, Jon. Wir geben Ratschläge, keine Befehle. «
»Jemand muss doch …«
»Du. Du musst sie führen.«
»Nein.«
»Doch, Jon. Es braucht ja nicht für lange zu sein. Nur bis die anderen zurückkehren. Donal hat dich ausgewählt und vor ihm Qhorin Halbhand. Lord Kommandant Mormont hat dich zu seinem Burschen gemacht. Du bist ein Sohn von Winterfell, bist ein Neffe von Benjen Stark. Entweder übernimmst du diese Aufgabe oder keiner. Die Mauer gehört dir, Jon Schnee.«
A RYA
Jeden Morgen beim Aufwachen fühlte sie die Leere in sich. Mit Hunger hatte es nichts zu tun, auch wenn sie den manchmal ebenfalls verspürte. Es war einfach eine hohle Stelle, ein Loch dort, wo sich ihr Herz befunden hatte, wo ihre Brüder und ihre Eltern gelebt hatten. Außerdem tat ihr der Kopf weh. Nicht so schlimm wie am Anfang, aber es schmerzte immer noch ganz schön. Daran hatte Arya sich gewöhnt, und zumindest war die Beule zurückgegangen. Das Loch in ihr blieb jedoch immer gleich. Das Loch wird nie kleiner werden, sagte sie sich, wenn sie sich schlafen legte.
An manchen Morgen wollte Arya überhaupt nicht aufwachen. Sie hüllte sich in ihren Mantel, drückte die Augen zu und wollte sich zwingen weiterzuschlafen. Wenn der Bluthund sie nur einfach in Ruhe gelassen hätte, dann hätte sie Tag und Nacht geschlafen.
Und geträumt. Das war das Beste daran, das Träumen. Fast jede Nacht träumte sie von Wölfen. Von einem großen Rudel, das sie anführte. Sie war größer als die anderen, stärker, geschickter, schneller. Sie konnte Pferde einholen und Löwen besiegen. Wenn sie die Zähne fletschte, liefen sogar die Menschen vor ihr davon, ihr Bauch war niemals lange leer, und ihr dichtes Fell hielt sie stets warm, selbst wenn der Wind kalt wehte. Und ihre Brüder und Schwestern waren bei ihr, viele und noch mehr, wild und furchterregend, und sie gehorchten ihr . Sie würden sie niemals verlassen.
Waren ihre Nächte von Wölfen bevölkert, so gehörten die Tage dem Hund. Sandor Clegane zwang sie jeden Morgen
aufzustehen, ob sie wollte oder nicht. Er verfluchte sie mit krächzender Stimme oder riss sie auf die Beine und schüttelte sie. Einmal kippte er ihr einen Helm voll kaltem Wasser über den Kopf. Prustend und zitternd fuhr sie hoch und wollte ihn treten, aber er lachte nur. »Trockne dich ab und füttere die verdammten Pferde«, befahl er ihr, und das tat sie dann auch.
Inzwischen hatten sie zwei Reittiere, Fremder und einen Zelter, eine Fuchsstute, die Arya Memme genannt hatte, weil Sandor behauptete, sie sei höchstwahrscheinlich von den Zwillingen geflohen, genauso wie sie beide. Am Morgen nach dem Gemetzel hatten sie sie ohne Reiter auf einem Feld entdeckt. Die Stute war kein schlechtes Pferd, aber einen Feigling konnte Arya nicht lieben. Fremder hätte gekämpft. Dennoch versorgte sie die Stute, so gut sie konnte. Schließlich brauchte sie nun nicht mehr mit dem Bluthund auf einem Pferd zu sitzen. Und Memme war vielleicht feige, dafür jedoch jung und stark. Arya glaubte, dass sie vielleicht sogar schneller wäre als Fremder, wenn es hart auf hart käme.
Der Bluthund bewachte sie nicht mehr so streng wie zuvor. Manchmal schien es ihn überhaupt nicht zu kümmern, ob sie bei ihm blieb oder nicht, und bei
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