Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
Geldstück aus dem Beutel und hielt es in die Höhe. »Hier! Valar morghulis. «
Die Tür antwortete nicht, sondern öffnete sich einfach.
Lautlos schwenkten die Flügel nach innen, ohne dass sie von einer menschlichen Hand bewegt wurden. Arya machte einen Schritt nach vorn, dann einen zweiten. Die Tür schloss sich hinter ihr, und für einen Augenblick war Arya blind. Sie hielt Nadel in der Hand, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, das Schwert gezogen zu haben.
Entlang der Wände brannten einige Kerzen, doch in ihrem trüben Licht konnte Arya nicht einmal ihre eigenen Füße erkennen. Jemand flüsterte, zu leise, um die Worte zu verstehen. Jemand anders weinte. Sie hörte leise Schritte, Leder, das über
Stein schlurfte, eine Tür, die sich öffnete und schloss. Wasser, ich höre auch Wasser.
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht. Der Tempel wirkte von innen viel größer als von außen. Die Septen in Westeros waren siebeneckig, hatten sieben Altäre für die Sieben Götter, hier jedoch gab es mehr Götter als sieben. Ihre Statuen reihten sich wuchtig und bedrohlich entlang der Wände auf. Zu ihren Füßen flackerten rote Kerzen, trüb wie ferne Sterne. Eine marmorne Frau von dreieinhalb Metern Höhe stand Arya am nächsten. Echte Tränen rannen ihr aus den Augen und füllten eine Schale, die sie in den Armen hielt. Darauf folgte ein Mann mit einem Löwenkopf, der auf einem aus Ebenholz geschnitzten Thron saß. Auf der anderen Seite der Tür bäumte sich ein riesiges Pferd aus Bronze und Eisen auf den Hinterbeinen auf. Weiter hinten sah Arya ein großes Steingesicht, ein bleiches Kleinkind mit einem Schwert, eine zottelige schwarze Ziege von der Größe eines Auerochsen, einen Mann mit Kapuze, der auf einem Stab lehnte. Die Figuren dahinter waren in der Düsternis lediglich als hohe Schemen zu erkennen. Zwischen den Göttern befanden sich verborgene Nischen voller Schatten, und in manchen brannte eine Kerze.
Leise wie ein Schatten schlich Arya zwischen Reihen langer Steinbänke hindurch, das Schwert in der Hand. Der Boden bestand aus Stein, verrieten ihr ihre Füße; nicht aus poliertem Marmor wie in der Großen Septe von Baelor, sondern aus rauerem Material. Sie kam an ein paar Frauen vorbei, die sich flüsternd unterhielten. Die Luft war warm und schwer, so drückend, dass sie gähnte. Arya konnte die Kerzen riechen. Der Duft war ihr nicht vertraut, sie schrieb ihn irgendeinem sonderbaren Weihrauch zu, doch als sie tiefer in den Tempel vordrang, schien es nach Schnee und Kiefernnadeln und heißem Schmortopf zu riechen. Gute Gerüche, sagte sich Arya und fühlte sich ein wenig mutiger. Mutig genug, um Nadel in die Scheide zurückzustecken.
In der Mitte des Tempels fand sie das Wasser, das sie gehört
hatte; ein Becken mit einem Durchmesser von drei Metern, tintenschwarz und von trübe brennenden roten Kerzen erhellt. Daneben saß ein junger Mann in einem silberglänzenden Mantel und weinte leise. Sie beobachtete, wie er eine Hand ins Wasser tauchte und scharlachrote Wellen durch das Becken schickte. Als er die Finger herauszog, saugte er an ihnen, an einem nach dem anderen. Er muss durstig sein. Am Rand des Beckens standen Steinbecher. Arya füllte einen und brachte ihn dem Mann, damit er trinken konnte. Der junge Mann starrte sie eine Weile lang an, als sie ihm den Becher anbot. » Valar morghulis«, sagte er.
» Valar dohaeris«, antwortete sie.
Er trank einen tiefen Schluck und ließ den Becher mit einem leisen Plopp in das Becken fallen. Dann stemmte er sich hoch, schwankte und hielt sich den Bauch. Einen Augenblick lang glaubte Arya, er würde umfallen. Erst da sah sie unter seinem Gürtel den dunklen Fleck, der sich ausbreitete, während sie zuschaute. »Das ist eine Stichwunde«, stieß sie hervor, doch der Mann beachtete sie nicht. Er taumelte unsicher zur Wand und kroch in einer der Nischen auf ein hartes Steinbett. Als Arya sich umschaute, entdeckte sie noch mehr Nischen. Auf manchen schliefen alte Leute.
Nein , schien eine fast vergessene Stimme in ihrem Kopf ihr zuzuflüstern. Sie sind tot oder sterben. Sieh mit deinen Augen.
Eine Hand berührte sie am Arm.
Arya fuhr herum, doch es war nur ein kleines Mädchen: ein bleiches kleines Mädchen in einer Kapuzenrobe, die es vollkommen einhüllte, schwarz auf der rechten und weiß auf der linken Seite. Unter der Kapuze schaute ein hageres, knochiges Gesicht hervor, mit hohlen Wangen und dunklen Augen, groß wie Untertassen.
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