Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
einem aufwendig restaurierten Gemäuer untergebracht. Über der schweren Eingangstür hing das Wappen von Bagheria, Krone, Lorbeerkranz und ein Löwe, der unbeholfen Männchen machte, auf weißem Grund. Auf dem Bürgersteig davor stand ein alter Mann, der auf einem umgedrehten Wäschekorb wilden Fenchel und Sträuße getrockneter Kräuter zum Verkauf anbot. Sein lebhaft gemusterter Acrylpullover leuchtete.
    Zehn nach zehn. Claudio kam wahrscheinlich erst um halb elf, und unser Termin war vermutlich für 11 Uhr angesetzt. An die sizilianische Interpretation von Pünktlichkeit hatte ich mich nie gewöhnen können.
    Egal, wann er kam, ich würde ihn zur Rede stellen für die Dreistigkeit, mit der er mir Lügen erzählt hatte, denn es stimmte nichts. Gar nichts. Der alte Acquabollente war
ein ausgezeichneter Diplomat, er hatte seinen Sohn komplett herausgehalten und dennoch: Claudio hatte gelogen - und das würde ich ihm auf den Kopf zusagen. Die Autos schoben sich direkt neben mir durch den Corso Umberto. Manche parkten in zweiter Reihe und, wenn die schon besetzt war, auf der Fahrbahn. Durchdringendes Hupen und die Trillerpfeifen der selbst ernannten Parkwächter durchbohrten mein Trommelfell.
    Da kam er. Mit vor Eifer gesenktem Kopf steuerte Claudio seinem Heiratstermin entgegen. Er bemerkte mich und witterte auch gleich, dass etwas nicht in Ordnung war. Wortlos hielt er vor mir an. Plötzlich spürte ich eine tiefe, wohltuende Ruhe in mir.
    »Sei un pezzo di merda, Claudio!« Ich genoss die geflüsterten italienischen Wörter, mit denen es sich so viel besser beleidigen und beschimpfen ließ als auf Deutsch. »Wann wärst du damit herausgerückt, dass mir das Limonenhaus gehört? Sobald ich unterschrieben hätte?« Ich bedachte ihn mit einem Blick, der all meine Verachtung zeigte. »Du hast mein Leben und das von Matilde riskiert! Nur für Geld! Mit Geld kannst du dir aber nicht alles kaufen, zumindest nicht das, was einen wahren Mann ausmacht. Und das willst du doch sein, oder? Ein Mann! Du bist nur erbärmlich, Claudio!« Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und ging.
    Die Via Sant’Elia war eine sehr steile Straße, die schnurgerade hinab in das kleine Dörfchen führte. Im Laufe der Jahre war das am Meer gelegene Sant’Elia eingemeindet worden, doch seine stolzen Einwohner würden sich niemals freiwillig als einen Teil von Porticello bezeichnen.
    Das Haus der Francesca Passarello stand unten an dem Platz, in den die steile Straße nach fünfzig Metern mündete.
Noch bevor ich klingeln konnte, öffnete eine untersetzte Frau mittleren Alters die Tür. Sie hielt einen Lappen und Fensterputzmittel in der Hand und redete unablässig, während sie die verspiegelte Haustür polierte. Zunächst verstand ich kaum, was sie sagte, doch dann merkte ich, dass sie mich vor irgendetwas warnen wollte.
    »Das Haus ist gefährlich, die Caterina putzt hier schon lange, und sie ist immer in Lebensgefahr. Die Caterina befindet sich in Lebensgefahr, und alle, die hier hereinkommen!«
    Ich zögerte. Was wollte diese plappernde Putzfrau von mir?
    »Wenn da nun wieder der Bus nicht bremsen kann, was ist dann mit der Caterina?«
    »Ich weiß es nicht...«, konnte ich nur sagen.
    »Zu steil, man sieht es ja, und wenn der Bus nicht anhalten kann? Wenn die Bremsen versagen? Ist es vorbei mit ihr!« Sie zeigte die Straße hinauf. »Das ist eine Todesrampe!« Sie bekreuzigte sich.
    »Caterina!«, rief eine kräftige Stimme von oben. »Erzähl nicht wieder diesen Unsinn. Das ist vor zwölf Jahren passiert! Zweimal wird der Bus unser Haus nicht treffen!«
    »Jetzt ruft die da wieder nach der Caterina. So, hier hat sie gut geputzt, fertig. Jetzt bringt sie den Besuch herauf!«
    »Caterina!«, rief es wieder. Ich folgte Caterina die Treppen hinauf und wurde in einen Salon geführt. Die alte Dame saß aufrecht und schlug ungeduldig mit der Hand auf die Lehne ihres Sessels. »Wen bringst du mir da, Caterina?«
     
    »Zu dieser Zeit noch! Eine fuitina fuizziva!«, Francesca Passarello klang empört. »Zehn Jahre früher, da gab es das
noch öfter. Ich erinnere mich an die sorelle Zarcone, die zwei Schwestern, die raubten sie aus dem Wäschegarten. Erst die eine, die sie aber gar nicht wollten, sie brachten sie zurück und dann eben die andere, die Richtige. Und die Anna Licari. Vom Grab des Vaters, das sie gerade mit frischen Blumen schmückte, vom Friedhof weg, haben die sie geholt!«
    Ich balancierte meine Espressotasse auf den Knien und

Weitere Kostenlose Bücher