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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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zu verschlimmern. Den Babyduft seiner neugeborenen Tochter zu schnuppern und dabei gezwungen zu sein, sich einzugestehen, dass das Kind zu einem Fremdling herangewachsen sein wird, wenn man zurückkehrt.
    Eher spirituell Ausgerichtete werden heiliges Wasser vom Ganges mitnehmen. Oder vom Nil oder aber auch vom Torne älv. Andere ziehen Tränen einer weinenden Heiligenikone vor. Oder päpstliches Weihwasser. Einige nehmen Asche mit und versichern, das nur des Dufts wegen zu tun, doch in neunzig Prozent der Fälle ist es menschliche Asche von irgendeinem Angehörigen, der einen kleinen Teil von sich im Weltall ausgestreut haben wollte. Offiziell ist das verboten. Doch es gibt dennoch diverse Multimillionäre, die ihre gesamte Asche im Kosmos haben ausstreuen lassen, indem sie Hunderte von Roader bestochen haben, jeweils ein paar Gramm Asche in ihren Traumsafes mitzunehmen. Ich kann das Reizvolle daran gut verstehen. Seinen Körper in alle Ecken und Strömungen des Universums zu verteilen wie eine graue, ungemein dünne und lang gestreckte Rauchfahne, über Millionen von Lichtjahren verstreut.
    Es ist einmal eine Doktorarbeit über die Traumsafes geschrieben worden. Sie enthält eine lange Auflistung dessen, was Tausende von Roader in ihren kleinen Zylindern bei sich hatten: Skorpionstachel, Pinienharz, Kerosin, Kleenektar, Zinnober, Tigerbalsam, Stubenfliegen, Pfeilspitzen, Narwaltran, Sandelholz, Argon, Persil, Marzipan, Hühnerblut, Grafit, eine Mausepfote, Pomeranze, rote Stallfarbe, Kaffee, Amalgam, Betelnuss, grüne Seife, Eukalyptus, Federn vom Paradiesvogel…
    Ein einziger weiblicher Roader hatte einen Zylinder, der vollkommen leer war. Auf die Frage des Interviewers hin erklärte sie, dass der Zylinder an einem Augustabend auf ihrem Gartentisch offen gestanden habe, als sie zusah, wie die Sonne langsam zwischen den Schäreninseln unterging. Die Luft war ganz mild gewesen. Eine Seeschwalbe hatte über ihr gekreist, weit hinter einem Felsen, und war dann zurückgekommen. Die leicht salzige Luft hatte frisch nach Tang und Algen geduftet.
    Genau dann, genau in diesem Augenblick, hatte sie den Zylinder verschlossen. Er enthielt, wie sie erklärte, das Glück.

    Steine

    ernilla Hamrin war ein anstrengender Mensch. Und genau wie alle anstrengenden Menschen war sie der Meinung, dass es die Umwelt war, die anstrengend war. Sie versuchte doch nur, die Sache geradezurücken. Wies auf offensichtliche Fehler hin. Machte beharrlich weiter das Richtige, auch wenn alle anderen das Falsche taten.
    Wie so viele Pedanten und Besserwisser war sie in einem religiösen Milieu aufgewachsen. Ihr Vater war Pfarrer in der Missionskirche gewesen, und sie trug immer noch diesen typischen freikirchlichen Gesichtsausdruck, etwas vorwurfsvoll mit leicht gehobenen Augenbrauen, strammen Mundwinkeln und einem hoch aufgerichteten Kopf, der gern etwas schräg gehalten wurde. »Kapiert ihr es wirklich nicht?«, war es, was sie ausstrahlte. »Sind euch immer noch nicht die Schuppen von den Augen gefallen?«
    Pernilla war mager, roch momentan nach Schwefel, da sie die dritte Woche fastete und ihr Körper Abfallprodukte absonderte. Sie saß im Hörsaal der Technischen Universität von Luleå und machte sich soeben bereit, den Professor in Mineralogie zurechtzuweisen. Er las über die kristallographischen Eigenschaften des Eisenerzes und hatte einen grauglänzenden Erzklumpen aus siebenhundert Metern Tiefe der Kiirunavaaragrube auf dem Podium liegen.
    Pernilla unterbrach ihn und wies auf das Unethische des Erzabbaus hin. Wie schlecht wir Menschen zu allen Zeiten die Steine behandelt hatten. Seit Jahrtausenden hatten wir sie gebrochen und geschliffen, sie unseren Feinden an den Kopf geworfen, sie zu Pfeilspitzen geschlagen, Pyramiden aus ihnen errichtet, sie eingeschmolzen, um Metall aus ihnen zu gewinnen, Runenzeichen in sie geschlagen oder sie auf die Gräber unserer Toten gelegt. Das war die reinste Apartheid! Die Steine waren so gesehen die am meisten diskriminierte Gruppe auf der Erde.
    Alle Studenten starrten sie an. Einige grinsten. Der Professor, ein geduldiger Herr, ließ sie wüten und gestikulieren, während sich der Saal mit Schwefelgeruch füllte, und schlug anschließend eine kleine Pause vor.
    Am Abend legte Pernilla sich aufs Sofa in ihrer Studentenbude und nippte an einem Nesseltee. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Gedankenlos blätterte sie die letzten Aufsätze einiger ihrer Studentenkollegen durch, taktvolle Theoretiker aus

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