Das Luzifer Evangelium
Wagen angehalten und nachgeschaut.
CC lehnte mit der Schulter am Türrahmen, als ich angerannt kam. Als er mich erblickte, richtete er sich auf. Er sah blass aus und erschüttert, was nicht verwunderlich war, arbeitete er doch schon seit vielen Jahren mit Carolyn zusammen.
Sie ?, fragte ich mit den Augen.
Er nickte nur.
3
Carolyn Olsson war tot.
Ermordet.
Sie lag nackt auf einem Feldbett in der Baracke.
Ihre Arme waren vor der Brust verschränkt. In der Hand hielt sie ein Bronzeamulett, das Dick Stone ihr in diesem Moment aus den Fingern wand.
»Keine Leichenstarre.«
Er zeigte CC und mir das Amulett.
Selbst aus der Entfernung erkannte ich es wieder. CC nahm den Sicherheitschef und mich auf die Seite.
»Was wissen wir?«
»Vorläufig nicht viel«, sagte Dick Stone. »Sie ist noch nicht lange tot.«
»Todesursache?«
»Wir müssen sie erst obduzieren, um genauere Aussagen machen zu können. Kein Zeichen äußerer Gewalt.«
»Ist sie ausgeblutet?«, fragte ich.
»Das wissen wir noch nicht.«
»Warum Carolyn?«, fragte CC . »Ausgerechnet Carolyn.«
»Sie kannte den Code für den Safe im Feldbüro. Und das Passwort der höchsten Sicherheitsstufe der digitalen Daten.«
»Kann sie etwas verraten haben?«
»Der Safe ist bereits geöffnet und durchsucht worden. Wir wissen aber nicht, wonach da gesucht worden ist.«
»Nach dem Manuskript«, sagte ich.
»Das ist doch in England«, sagte CC .
»Aber das wissen nur wir«, sagte der Sicherheitschef. »Der innerste Kreis.«
»Was tun wir?«
»Wir haben erst einmal den Server abgekoppelt und sind aktuell dabei, für alle neue Passwörter zu generieren.«
»Ich sollte jetzt ihren Mann anrufen«, sagte CC . »Ihren Witwer.«
ROM, MAI 1970
Angst.
Will nicht sterben.
Höre meinen Atem. Es ist, als gehörte er jemand anderem. Kurze, abgehackte Hickser. Nicht mein Atem. Rasselnd.
Keine Luft.
Angst.
Ich schlage gegen die Seitenwand, trete gegen den Deckel. Bin so schlapp. Kraftlos.
Schiebe den Mund ganz nah an den Gummischlauch, der Luft in den Sarg bläst. Atme tief ein. Aber es wird nicht besser.
Draußen, vor dem Sarg, höre ich die Geräusche der Unterwelt – Schreien und Lachen, Heulen und Klatschen. Jemand singt.
Aber vielleicht träume ich das auch nur. Hoffentlich.
Das ist alles so unwirklich.
*
Silvana, flüstert Lo-Lo.
Mühsam öffne ich die Augen.
Er liegt neben mir. Nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Lieber, guter, bester Lo-Lo.
Silvana, flüstert er. Er sieht besorgt aus. So habe ich ihn noch nie gesehen. Lo-Lo ist fast immer fröhlich. Aber jetzt ist er traurig.
Lo-Lo, versuche ich zu flüstern. Es gelingt mir nicht. Kommen keine Worte. Klingt, als wäre mir ein Stück Fleisch im Hals stecken geblieben. Mein Atem klingt wie bei Großmutter. In der Nacht, nachdem wir sie besucht hatten, ist sie gestorben. Als Mama mich am nächsten Morgen weckte, sagte sie, dass es Großmutter gut ginge. Kann sie jetzt atmen?, habe ich gefragt. Bei Gott können alle atmen, sagte Mama. Da wusste ich, dass Großmutter tot war.
V: Der Triangel
AL-HILLA
30. AUGUST 2009
1
Das Ausgrabungsteam hatte stundenlang Steine und Sand geschaufelt, seit sechs Uhr in der Früh, als sie endlich die Tür freilegen konnten. Es geschah an einem Sonntag.
Die imposante Eingangspartie war vier Meter breit und drei Meter hoch. Die Blätter der zweiflügeligen Tür waren aus einer Metalllegierung mit diagonalen Streben, deren Zwischenräume mit Beton ausgegossen waren. In das Metall und den Beton beider Türblätter war in jede Ecke ein Symbol geprägt, das ich kannte: ein Triangel mit einem Kreis, der Sonne.
Der Osiris-Triangel.
Was kurios war, denn der Osiris-Triangel war ein ägyptisches, kein babylonisches Symbol.
Die Tür war nicht mit Scharnieren befestigt. Die Ingenieure vermuteten, dass die Türblätter eventuell zu den Seiten weggeschoben werden mussten. Offensichtlich steckten sie oben und unten in Steuerschienen, die am Boden und an der Decke in den Beton eingelassen waren. Die Tür ließ sich keinen Millimeter bewegen. Stundenlang suchten die Ingenieure nach einem Schließmechanismus, mit dem sie sich öffnen ließ. Sie wurden aber nicht fündig. Da die Tür weder Handgriff noch Schloss hatte, jedenfalls nicht außen, nahmen die Ingenieure schließlich an, dass sie nur von innen zu öffnen und zu schließen war. Das wiederum hätte bedeutet, dass jemand sich selbst dort eingeschlossen haben musste – im vollen Bewusstsein der
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