Das Luzifer Evangelium
Glaubte ich.
»Eine Zeitmaschine.«
CC sah mich an, als hätte ich ihm gerade anvertraut, dass ich in meiner Freizeit mit einem Kescher Feen fing, sie mit Äther betäubte und mit Nadeln an eine Pinnwand heftete.
»Hm«, sagte er nur. Sein Blick flackerte wie eine Kompassnadel, die sich für keine Richtung entscheiden konnte.
»Habe ich recht?«
Kein Ton. Nur dieser … Blick .
»Eine Zeitmaschine würde alles erklären!«, fuhr ich fort. »Die Computermatrix in Luzifers Evangelium . Die Koordinaten, die die Position angeben. Alle Weissagungen über die Zukunft, die Prophezeiungen. Den Bibelcode. Das synthetische Material, auf das der Text geschrieben wurde. Den Superbeton. Das Magnetschloss. Das wahnsinnige Interesse der amerikanischen Behörden. Die vielen Ressourcen, die in das Luzifer-Projekt investiert wurden.«
»Eine Zeitmaschine …«
Keine Reaktion. Er sah aus wie sein eigenes Hologramm.
»Ihr wisst, dass irgendjemand – irgendwann in der Zukunft – rückwärts in der Zeit gereist ist. In die Vergangenheit. Mit einer Zeitmaschine. Und dort, im Turm zu Babel, eine Botschaft für euch hinterlegt hat.«
Er hörte gar nicht auf, mich anzustarren.
»Technisch müsste das doch irgendwann möglich sein«, sagte ich. »Wenn man zum Mond fliegen kann, wird man doch wohl auch irgendwann durch die Zeit reisen können.«
»Ich muss schon sagen, Bjørn!«
Das war alles, was er sagte.
Ich muss schon sagen, Bjørn!
Und mit diesen Worten stand er auf, lächelnd, und holte sich ein Bier.
Von: Primus Pilus
Datum: 30. 08. 2009 19:13
An: Legatus Legionis
CC: Großmeister
Betreff: Bericht: al-Hilla/Babylon-II
Code: S/MIME PKCS7
Dominus!
Sobald es ihnen gelingt, die Türen zu öffnen, werden sich die Fachleiter der unterschiedlichen Forschungsteams in das Zikkurat begeben. Ich gehöre nicht dazu.
Der Totengott der Babylonier, Nergal, ist nicht nur der Gott über Flammen und Licht, sondern auch eine Art Dämon. Luzifer? Deshalb frage ich mich, ob Babels Turm die irdische Pforte ist, die ins Totenreich führt, eine Verbindung zwischen dem irdischen und dem jenseitigen Leben. Dominus, natürlich weiß ich, dass das Totenreich – ob wir es nun Unterwelt, Hölle, Scheol, Gehenna, Irkalla, Hades, Kurnugia nennen – sich nicht physisch unter dem alten Babylon befindet. Aber die alten Babylonier waren religiöse Menschen mit magischen Kräften. Für sie war der Tod nicht der einzige Weg ins Jenseits. Auch die Lebenden konnten ins Totenreich gelangen und wieder zu den Lebenden zurückkehren. Ich glaube, dass die Babylonier, weise, wie sie waren, die Verbindung zwischen unserer Welt und dem Totenreich gefunden haben. Außerdem glaube ich, dass der Eingang zum Reich der Toten – die Pforte der Götter, Bāb-ilû – hier ist, unter dem Zikkurat. Die Beurteilung dieser Gedanken überlasse ich, ergebenst, den Ältesten.
Ich habe meinen Auftrag nicht vergessen. Heute Nacht werde ich bei Bjørn Beltø und Carl Collins nach der Handschrift suchen.
Primus Pilus: Bruder Raţ
VI : Gas
AL-HILLA
30. AUGUST – 1. SEPTEMBER 2009
1
Ich kam spät ins Bett.
Wir verwendeten einige Stunden darauf, eine Firma ausfindig zu machen, die uns die Spezialmagnete liefern konnte, die wir brauchten. CC und ich hatten eine Besprechung mit dem Chefingenieur und dem Chefarchäologen und danach mit Sicherheitschef Dick Stone und seinen engsten Mitarbeitern. Auf dem Weg zu den Baracken bombardierte ich CC mit meinen Fragen und selbst gegebenen Antworten. Wie üblich – und wie ich – war er störrisch, schrullig und stumm. CC weigerte sich rundweg, meine Theorie über die Zeitmaschine mit mir zu diskutieren. »Interessante Hypothese« kam einer Bestätigung oder Ablehnung noch am nächsten.
Ich schlief nach wenigen Minuten ein. In den zwei, drei Stunden, die ich schlief, träumte ich von gesichtslosen Mönchen in einer vernebelten Heidelandschaft, als plötzlich die Scharniere meiner Tür quietschten.
Ich war schlagartig wach und schlug die Augen auf. Es war dunkel. Ich kann einen Feueralarm verschlafen. Und vom Summen einer Mücke aufwachen.
Das Mondlicht bohrte sich durch den Spalt zwischen Jalousie und Fensterrahmen. Ich lag auf dem Rücken, das Gesicht nach oben gewandt.
Etwas Glänzendes – vielleicht meine Armbanduhr – reflektierte an der Decke.
Ich befand mich in einem Zustand zwischen schläfriger Verwirrtheit und Angst.
War da jemand an der Tür?
Ich hätte abschließen sollen. Aber das war nicht möglich. Keine der
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