Das Luzifer Evangelium
sowohl die Drăculsângeer als auch eine internationale Forschergruppe auf der Jagd nach dem Manuskript waren. Er hat falsche Spuren gelegt und CC zu sich gelockt.« Sie blätterte um. »Als er sicher war, dass er ihm vertrauen konnte, hat Papa ihn in unsere Situation eingeweiht und ihm das Manuskript gegeben, das er seit 1970 bewacht hatte. Er wurde Mitarbeiter der Forschungsgruppe. Genau wie du. Er war eine entscheidende Ressource, auch das genau wie du.«
Sie öffnete ihre Tasche und nahm einen Umschlag heraus, den sie mir reichte.
»Von Papa. Ich musste seine alte Schreibmaschine vom Dachboden holen. Ich wollte ihm meinen Laptop leihen, aber nein, nur die Remington war ihm gut genug. Die hat Mama mir geschickt, gemeinsam mit seiner Plattensammlung und meinen Spielsachen, als sie aus unserer Wohnung in Rom ausgezogen ist.«
Ihr Stift stockte.
»Einen Tag nachdem er diesen Brief geschrieben hat, ist Papa gestorben.«
XVI : Der Brief (2)
Amsterdam
30. August 2009
Bester Bjørn Beltø,
mein junger, standhafter Freund. Ich möchte Sie um Entschuldigung bitten. Nachdem Silvana Ihnen erklärt hat, wie alles zusammenhängt, hoffe ich auf Ihr Verständnis und Ihre Nachsicht. Die für mich allerdings zu spät kommen wird. Wenn Silvana Ihnen diesen Brief überreicht, bin ich tot.
Ich bitte Sie von Mann zu Mann, kein doppeltes Spiel mit Silvana zu treiben. Ich weiß, dass sie Sie sehr schätzt. Wie ich auch. Ich erkenne mich in Ihnen wieder. Ich würde es Ihnen hoch anrechnen, wenn Sie ein wenig ein Auge auf meine Tochter haben könnten. Jetzt, wo ich nicht mehr bin, ist sie ganz allein auf der Welt.
Ich habe mein Leben dem Luzifer-Evangelium gewidmet. Ich wollte es einfach verstehen. Seit ich das Manuskript 1970 zum ersten Mal in der Hand hielt, hat der Text mich in seinen Bann gezogen. Dieses Evangelium hat mein Leben bestimmt. Ich will Ihnen etwas anvertrauen: Als Carl Collins mich anrief und erzählte, dass ihr Oûäh gefunden habt, bin ich in Tränen ausgebrochen. Normalerweise habe ich nicht nah am Wasser gebaut.
Ich verspüre das Bedürfnis, Ihnen als eine letzte, unbedeutende Geste noch etwas zu erklären, die Dinge in einen Zusammenhang zu bringen.
Sie fragen sich sicher, wie Oûäh und der Mythos Satan zusammenhängen? Luzifers Evangelium birgt die Erklärung für alle Missverständnisse und Fehlinterpretationen in sich, die im Laufe der Geschichte entstanden sind.
Als die Handschrift nach der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr 70 auftauchte, wurde sie als magisch und ketzerisch abgestempelt. Die unverständlichen Teile des Textes wurden als okkult abgetan. Die verständlichen, lesbaren, in Akkadisch geschriebenen Teile wurden falsch interpretiert. Die Priester und Schriftgelehrten lasen die Referenzen und Allegorien als Anspielungen auf gefallene Engel, den Krieg zwischen den Söhnen des Lichtes und der Finsternis und Luzifers Verbannung aus dem Himmel. Wie Sie sich denken können, war die Schrift voll von Allegorien, die mit der Entwicklung des Christentums einen neuen Resonanzboden fanden.
Alle Mythen über Luzifer, der wie eine Fackel vom Himmel fällt, über Satan, über die Nephilim, über Engel und Dämonen – all das entspringt der Begegnung des Menschen mit Oûäh und seinem Volk. Wesen, die weitestgehend aussahen wie wir, die aber so viel größer, mächtiger, klüger und älter waren. Verwundert es da, dass die Menschen sie für Götter hielten?
In jener Zeit war das Konzept Engel noch nicht erfunden – zumindest nicht im christlichen Verständnis dieses halb göttlichen Geisterwesens. Als die Priester zu seinem Lobpreis ein Abbild von Oûäh anfertigten – eine beflügelte Gottheit, die vom Himmel herabflog –, entschieden sie sich für ein Symbol, das für sie den schönsten und edelsten aller Vögel darstellte, den sie sich denken konnten: den Pfau. Melek Taus. Der erste Engel.
Wie charakteristisch für die Natur des Menschen, dass wir diese Engel – angeführt von Priestern und Propheten – später zu Teufeln und Dämonen machten.
Der Mythologie zufolge konnte Satan in seiner Auflehnung gegen Gott ein Drittel der himmlischen Engel hinter sich versammeln. Zweihundert Raumfahrer kamen aus dem Weltraum, dem Himmel, zu uns auf die Erde. Welches Unrecht haben wir ihnen widerfahren lassen, indem wir sie zu Teufeln und Dämonen machten! Sie waren gekommen, um uns zu helfen. Sie waren unsere Freunde. Unsere Lehrmeister. Sie bildeten uns in Landwirtschaft aus, in Staatenbildung,
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