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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus. Knochig, ein ausgelaugter, erschütternd verfallener Körper, so stand er neben Simon und knüllte seine Kleider zusammen. »Damals schwamm ein ganzes Bataillon nackter Männer über den Fluß, ihre Klamotten und die Gewehre auf dem Kopf. Und drüben saß der Iwan und knallte uns ab wie nackte Ratten. Von sechshundertdreiundvierzig Mann erreichten zweihundertundneun das andere Ufer und bildeten den Brückenkopf. Ich war darunter. Können Sie sich das vorstellen? Damals war ich dreiundzwanzig Jahre alt. Fähnrich. Voller Ideale. Glaubte an den Endsieg. Glaubte überhaupt alles, was man mir sagte. Auch, daß die Juden an allem schuld seien. Das stand ja in allen Zeitungen.« Er legte sein Kleiderbündel auf den Kopf und trat an das Steilufer des Jordan. »Ich habe mir seitdem oft die Frage vorgelegt: Ist jugendliche Dummheit strafbar, wenn sie solche Auswirkungen zeigt wie die deutsche Dummheit? Ich habe keine Antwort gefunden … denn diese Dummheit ist unsterblich! Sie ist heute wieder überall sichtbar … bei uns, in dem Staat, Simon, einfach überall. Da werden Doktrinen zu Idealen erhoben und eingehämmert, und die Jugend folgt ihnen willig und mit feurigem Blick! Simon … ist der Mensch nicht eine elende Kreatur?«
    Simon schwieg. Er hielt den Esel an seinem Strick fest und sah hinüber zum israelischen Ufer. Auch dort war Wüste, aber nach einigen hundert Metern begann ein Wald aus Ölbäumen und Palmen, ein grüner Fleck um einen Brunnen herum. Dort liegen unsere Soldaten, dachte Simon. Dort wird ein Panzer sein, ein Geschütz, werden Lastwagen stehen, Kameraden in Zelten schlafen. Dort ist Heimat.
    »Kommen Sie!« sagte er. »Noch zweihundert Meter …«
    »Und der Esel?«
    »Das werden Sie gleich sehen.« Simon zog das Tier an den Steilhang. »Fällt Ihnen nicht auf, daß wir allein sind?«
    Frank grinste breit. »Ein kleiner Winkel meines Hirns ist noch nicht vom Alkohol vernebelt. Der arbeitet noch!«
    »Wir sind in einem Minenfeld.«
    »Das weiß ich.« Frank legte den Arm um den nackten Leutnant Simon. »Ich wollte Ihnen den Vorschlag machen, daß ich vorangehe. Wenn ich in die Luft fliege, ist's nicht schade. Und Sie haben die Gasse frei zur Freiheit. Aber Sie haben recht … wozu ist der Esel da? Obgleich ich behaupten möchte, daß er wertvoller ist als ich.«
    Simon zog den Esel an den Steilhang. Das Tier begann zu zittern, es stemmte die Beine gegen den Boden, es schrie, als Simon am Kopf zog und Frank von hinten drückte. Mit großen Augen starrte es auf den Fluß.
    »Ein kluges Tier!« keuchte Frank und boxte dem Esel in die Weichen. »Man beleidigt es, wenn man einen Menschen Esel nennt. O Himmel, hätten doch viele Menschen einen so gesunden Instinkt wie das Tier!«
    Schreiend stolperte der Esel über die Böschung. Dann rutschte er, fand keinen Halt mehr und rollte den Abhang hinunter. Der Sand staubte, Steine polterten hinter ihm her, er schlug unten am Fluß auf und fiel mit um sich schlagenden Beinen ins Wasser. Dann sprang er auf, schrie noch einmal und humpelte durch das seichte Uferwasser davon.
    »Keine Mine!« sagte Leutnant Simon erleichtert. »Gehen Sie zuerst, Frank. Genau in der Fallspur des Esels!«
    Herbert Frank kletterte den Hang hinunter. Sein nackter Körper verletzte sich an Steinen und begann aus verschiedenen Rissen zu bluten. Unten am Fluß sah er hinauf zu Simon.
    »Alles in Ordnung!« rief Frank. »Ein paar Abschürfungen, sonst nichts. Passen Sie in der Mitte des Hanges auf, da ist eine spitze Steinnase.«
    In einer Wolke von Staub landete auch Simon am Jordan. Seitlich von ihnen hörten sie das Patschen des Esels, der hinkend davontrottete.
    »Schnell hinüber, ehe er auf eine Mine tritt!« sagte Simon. »Wenn wir mitten im Fluß sind, ist alles vorüber …«
    Sie wateten in das Wasser, das lehmig und lauwarm war, und hielten mit beiden Händen ihre Kleiderbündel auf dem Kopf fest. Als erster fand Simon keinen Grund mehr und schwamm. Dann war der Fluß auch für Frank zu tief. Er wunderte sich, daß er noch schwimmen konnte und nicht einfach absank wie ein Stein.
    Stumm schwammen sie, bis ihre tastenden Füße wieder Boden fühlten, wateten schnell weiter und erreichten das andere Ufer. Dort warf Simon sein Kleiderbündel in den Sand, kniete nieder, faltete die Hände und betete stumm. Frank stand neben ihm, zitternd vor Kälte, und sah zurück auf Jordanien.
    »Ich bin frei!« sagte er. »Ich bin tatsächlich frei … Leutnant, können Sie mir erklären, was

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