Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
daneben benommen, Leutnant?« fragte Frank.
    »Es hätte uns den Kopf kosten können.«
    »Wann setzen wir über den Jordan?«
    »Heute nacht.« Simon richtete sich auf. »Aber bis dahin bleiben Sie in meiner Nähe, Frank. Sie gehen mir nicht aus den Augen! Ich schwöre es Ihnen, ich lasse Sie zurück, wenn Sie noch einmal Dummheiten machen.«
    »Sie wissen nicht, wie mir zumute ist, Leutnant.« Frank erhob sich, machte ein paar Kniebeugen und trat an die zerfetzte Wand des Stalls. Draußen weidete der Esel die spärlichen Grashalme ab, die noch nicht verdorrt waren. Jordanische Militärpatrouillen pendelten am Ufer des Jordans hin und her. In Erdlöchern gingen Maschinengewehre in Stellung. Hinter den Sanddünen fuhr Artillerie auf. »Narriman ist tot. Ich habe nie daran gedacht, daß ich Narriman einmal überleben könnte. Der Gedanke war zu phantastisch. Ich bin ein Wrack. Jeder Spiegel zeigt es mir. Es war mir klar, daß ich eines Tages umfallen würde, daß man mich verscharrte und nicht einmal einen Stein auf mein Loch setzte. Und plötzlich bin ich frei … frei von Narriman und auch politisch frei. Und ich frage mich nun: Was soll das? Was soll ich mit der Freiheit? Was hat ein wertloses Subjekt wie ich dort drüben in der freien Welt zu suchen? Was kann ich dort tun? Mich restlos zu Tode saufen … sonst nichts. Welch ein Tod!« Er drehte sich langsam um. Simon war aufgestanden und leise hinter ihn getreten. »Sie sind jung, Leutnant. Sie wissen noch nicht, was eine Frau aus einem Mann machen kann. Vor allem, wenn er diese Frau liebt. Sie werden das nie verstehen, Simon … Und nun bin ich Witwer. Ich bin eine Maschine ohne Motor geworden. Ich kann vor mich hinrosten. Ich stehe in einer Ecke dieses Lebens und warte, bis ich auseinanderfalle. Sagen Sie ehrlich, Leutnant: Ist das nicht entsetzlich?«
    »Drüben werden Sie wieder zu sich finden«, sagte Simon ernst.
    »Wohin? Zu mir? Wer bin ich denn? Es ist schrecklich … wenn ich mich ansehe, könnte ich mir selbst ins Gesicht speien!«
    Den ganzen Tag über war Herbert Frank friedlich. Er spielte wieder den klagenden Alten, der mit wallendem weißem Bart zwischen den Soldaten, Flüchtlingen und Nomaden herumlief, die Fäuste gegen Israel schüttelte und schilderte, wie drei seiner Töchter, schön wie weiße Tauben, von Soldaten geschändet worden waren. Bald war er am ganzen Jordanufer bekannt, die Soldaten gingen ihm aus dem Weg, denn die Klagen des Alten fielen ihnen auf die Nerven, und die Nomaden gaben ihm zu essen, nur damit er schnell weiterzog.
    »Er hat den Verstand verloren, euer armer Vater«, sagte man zu Simon, der ihm nachlief wie ein Hund. Den Esel zog er an einem Strick hinter sich her. »Möge ihn Allah bald erlösen.«
    Am Abend aßen sie zum letztenmal auf jordanischem Boden. Sie waren am Jordanufer entlanggezogen, weg von der Militäransammlung, und keiner hielt sie auf. Als es Nacht wurde, waren sie allein am Fluß. Frank briet ein Huhn, das er sich vor einem Nomadenzelt ersungen hatte, denn er hatte entdeckt, daß die Gaben noch reichlicher flossen, wenn er sich hinhockte und seine Klagen lauthals hinaussang. Es klang so schauerlich, daß sich auch verstockte Herzen öffneten und milde gestimmt wurden.
    Leutnant Simon schwieg seit einer Stunde. Was Frank nicht ahnte, wußte er genau: Sie waren nur deshalb allein, weil sie im Minengürtel der Jordanier lagen. Erst einige Kilometer hinter ihnen begann die Verteidigungslinie mit Panzern und Erdbunkern. Hier am Jordan, war der Tod in den Sand gegraben, hier war nur Einsamkeit, weil jeder Schritt eine Explosion auslösen konnte.
    Nachdem sie das Huhn gegessen hatten, stand Simon auf und sah hinüber zum Fluß. Die Nacht war mondhell. Die glühende Tageshitze war vorüber, Kälte fiel von den Sternen.
    »Können Sie schwimmen?« fragte er.
    Frank nickte. »Früher ja. Ich weiß nicht, ob man es verlernt. In den letzten Jahren hatte ich nur Gelegenheit, in Planschbecken zu baden.« Er trat neben Simon. Gemeinsam blickten sie auf den träge fließenden Jordan. »Ich denke, durch diese Suppe kann man hindurchwaten?«
    »Jeder Fluß hat unbekannte Tiefen. Wenn wir Pech haben, erwischen wir gerade eine.« Simon ging zurück zum Lagerplatz und zog sich aus. Er verschnürte seine Kleider zu einem Bündel und hob es auf den Kopf.
    »Worauf warten Sie noch?« fragte er Frank.
    »Das erinnert mich an den Übergang über den Dnjepr.« Frank streifte seine Hose ab und zog seine schmutzige Dschellabah

Weitere Kostenlose Bücher