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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nur meinen eigenen Tod gerächt. Vergiß nicht das Gesetz: Auge um Auge, Zahn um Zahn!«
    Sie nahm die Hand von Rishons Schulter und sah Schumann an. Er lag auf einer Decke neben dem kleinen Zelt im Geröll und sah in die Morgensonne, die über die Wüste glitt. Die ausgeglühten Felsen schimmerten rosa. »Ich habe ihn verbunden und seine Wunde ausgewaschen«, sagte sie. »Er meint, er könne die zweiundzwanzig Kilometer durch die Wüste bis zur Grenze schaffen, wenn es auch langsam geht.«
    »Warten wir es ab, Ariela.« Rishon dachte an die beiden Kratzer auf Schumanns Bein. Entzündeten sie sich, war es unmöglich für ihn, die zweiundzwanzig Kilometer zurückzulegen. »Wir können noch einen Tag ausruhen. Vor uns liegt der Dschebel El Hasa, dann müssen wir hinunter in die Senke des Toten Meeres, die Karawanenstraße von Safi überqueren und unterhalb von Ain Khaukhan zur Grenze. Wir müssen uns durch alle jordanischen Sperren schleichen wie die Füchse.«
    »Wir werden ihn stützen, Moshe. Wir werden ihn tragen, wenn es nötig ist.« Ariela sah Rishon an. »Moshe, gib mir die Hand, versprich es mir … trag ihn auf deinen Schultern nach Israel, wenn er nicht mehr gehen kann.«
    »Ich verspreche es dir.« Rishon gab Ariela die Hand. »Ich weiß jetzt, daß alle anderen Worte und Wünsche sinnlos sind. Es ist schon etwas wert, daß ich wie bisher dein Freund sein darf …«
    »Das bist du immer.« Ariela drückte Rishons Hand. »Sei auch sein Freund, Moshe …«
    »Nein!« Mit einem Ruck entzog er ihr die Hand und wandte sich ab. »Das ist unmöglich! Ich kann mein Herz verleugnen, aber nicht meinen Charakter. Er ist ein Deutscher!«
    »Und mein Mann!«
    Rishon nickte. »Das ist es, was ich nie begreifen werde …«
    Mit gesenktem Kopf ging er weg, hinein in die Felsen, um allein zu sein.
    Über der Wüste stand die gleißende Morgensonne. Der Nachttau verdampfte. Man sah die Erde atmen. Von Majra her zogen ein paar Geier über die Täler und Wadis.
    Ein neuer, heißer Tag hatte begonnen.
    Um neun Uhr schwoll Schumanns Wade an. Um halb zehn färbten sich die zwei Vipernkratzer bläulich.
    »Halten Sie das Bein fest, Major!« sagte Schumann dumpf. Er nahm Rishons Klappmesser aus der Flamme des Petroleumkochers und schwenkte die rotglühende Klinge ein paarmal durch die Luft.
    Dann hielt er den Atem an und stieß das Messer in sein Bein. Ein unerhörter Schmerz zerriß ihn fast, es roch nach verbranntem Fleisch … schneiden, schrie er in sein gelähmtes Gehirn, schneiden … und dann umschnitt er die beiden geschwollenen Vipernkratzer, trennte das Muskelfleisch heraus, schälte die Wunde aus, so tief es ging … und während er mit dem glühenden Messer arbeitete, während Rishon würgend mit beiden Händen das blutende Bein festhielt, schrie Schumann seinen Schmerz hinaus, brüllte er mit unmenschlichen Tönen, rannen ihm die Tränen aus den Augen, aber seine Hände arbeiteten, das Messer schnitt und der Kampf gegen den Tod hatte begonnen.
    Abseits, hinter dem Milchwagen, lehnte Ariela an den Felsen. Als Schumann aufbrüllte, faltete sie die Hände, schloß die Augen und betete.
    Dann war es vorbei. Rishon taumelte, sank auf die Knie und erbrach sich.
    Auf der Decke vor dem kleinen Zelt lag Schumann. Er war besinnungslos. Rishon hatte ihm die schreckliche Wunde noch verbunden, bevor ihn alle Beherrschung verließ.
    Er lag da, den Mund noch vom Schreien offen, mit ausgebreiteten Armen, als wolle er die Geier umarmen, die wie große Schatten über der Schlucht kreisten.
    Die Boten des Todes waren schon über ihm.
    Die Gruppe eins – Leutnant Simon und Herbert Frank – hatte die kritische Situation überlebt. Niemand hatte den betrunkenen, weiß bärtigen Alten bemerkt, den Simon nach dem Schlag gegen das Kinn wegschleifen mußte. Die Nacht war ihr Verbündeter. Unge stört konnte Frank seinen Rausch ausschlafen; er lag auf dem Rü cken und stieß ab und zu undeutliche Laute aus. Am Morgen aber war er seltsam klar, saß in dem zerschossenen Stall und aß die Kekse, die er nach seinen herzergreifenden Flüchtlingserzählungen und donnernden Flüchen eingesammelt hatte. Dazu trank er in Wasser aufgelöstes Milchpulver. Das kostete ihn eine große Überwindung; nach jedem Schluck seufzte er und schüttelte sich.
    »Das tut Ihnen gut«, sagte Leutnant Simon schadenfroh. Er lag noch zwischen den rußgeschwärzten Trümmern und rauchte eine Zigarette, die Frank ebenfalls erbeutet hatte.
    »Habe ich mich gestern sehr

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