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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verschwunden.
    »In Ägypten ist er!« knirschte Rishon. »Er hat uns alle getäuscht! Er hat Ariela schamlos belogen!«
    Dann stand er vor ihrer Tür und wußte nicht, wie er nach der Begrüßung anfangen sollte.
    Wie sagt man einer Tochter, daß der Vater tot ist? Wie kann man danach noch erklären, daß der Geliebte ein Schuft ist?
    Moshe Rishon drückte die Klinke herunter und trat ein. Ariela saß am Fenster und sah in den Klinikgarten hinaus. Sie wirkte schmal und zerbrechlich in dem dünnen Schlafanzug. Um ihre rechte Schulter lag der dicke Verband.
    »Moshe!« rief sie und streckte die linke Hand nach ihm aus. »O Moshe! Endlich einer, der mir helfen kann! Ich bin verzweifelt. Ich vergehe wie ein Wassertropfen in der Sonne. Hilf mir, Moshe …«
    Es war das erstemal, daß Major Rishon sich hilflos vorkam. Dieser unbekannte Zustand machte ihn linkisch und tapsig; er ging auf Ariela zu, gab ihr die Hand, als begrüße er einen Kameraden, aber kein Mädchen, das ihn um Hilfe anflehte, dann sah er an ihr vorbei ebenfalls aus dem Fenster, behielt ihre Hand in der seinen und streichelte sie stumm.
    Arielas Augen wurden groß. »Was ist geschehen?« fragte sie leise. »Moshe … warum bist du gekommen? Du bist so verändert? Hast du etwas von Peter Schumann erfahren?« Sie hielt mit der anderen Hand seine streichelnden Finger fest und umklammerte sie. »Hat man ihn gefunden? War er in dem bombardierten Krankenhaus? Sag es … sag es ruhig … ich kann es hören! Ich habe mich auf diese Nachricht vorbereitet …«
    Moshe Rishon schüttelte langsam den Kopf. Es fiel ihm schwer, zu sprechen. Es war ihm, als steckte seine Kehle voller Sand. Die Worte klangen dumpf von seinen Lippen.
    »Ich komme von der Front«, sagte er. »Unsere Panzerspitzen haben den Suezkanal erreicht. Einer der ersten, die den Kanal vor Augen hatten, war Oberst Golan …«
    »Glücklicher Vater!« Ariela legte den Kopf an Rishons Schulter. »Es war eine große Stunde für ihn … Er hat immer daran geglaubt …«
    »Ja«, sagte Rishon heiser.
    »Du warst bei ihm?«
    »Nein. Aber ich habe ihn hinterher gesehen.« Major Rishon griff in die Brusttasche seiner Uniform und holte ein schmales ledernes Mäppchen heraus. Stumm gab er es Ariela. Sie klappte es auf. Zwei Bilder steckten darin. Ihre Mutter, als sie so jung war wie Ariela, und Ariela nach der bestandenen Leutnantsprüfung, lachend, das Käppi schief auf den kupferfarbenen langen Haaren.
    Das Mäppchen begann in Arielas Händen zu zittern.
    »Das hat er dir nicht mitgegeben …«, sagte sie leise. »Davon trennte er sich nie … Das hatte er immer bei sich …«
    Ihre Augen bettelten um eine Erklärung. Major Rishon schwieg und wandte sich ab. Er senkte den Kopf und faltete die Hände.
    »Er ist tot!« sagte Ariela laut. Rishon zuckte zusammen. Er hatte einen Aufschrei erwartet; was er hörte, klang wie ein Kommando. »Wo?«
    »Beim Sturm auf Bir Hasana. Und sie haben ihn mitgenommen zum Suezkanal und haben ihn dort zum Wasser getragen. Er soll hinüber nach Ägypten geblickt haben, als ob er noch lebe …«
    »Ja, so war er.« Ariela klappte das Ledermäppchen zu und steckte es in die Tasche ihres Schlafanzugs. Sie weinte nicht, warum auch? Ein Soldat muß sterben, das hatte ihr Vater immer gesagt, und solange sie denken konnte, hatte sie in dem Glauben gelebt, daß ihr Vater ein Held sei. Sie war damit aufgewachsen, daß man auf diesem heißen Flecken Erde lebte, um dem Vaterland zu dienen, und daß es nichts Höheres gibt als das Vaterland, ausgenommen Gott. Nun war Arnos Golan gefallen, aber er hatte sein Ziel erreicht und den Suezkanal gesehen, und wenn auch die Augen gebrochen waren, seine Seele war voll Freude.
    So fest war dieser Glaube in Ariela, daß sie nicht weinte, nur das Herz zuckte ein paarmal schmerzlich … aber das sah niemand.
    »Ist er am Kanal begraben?« fragte sie nach einer Zeit des Schweigens. Major Rishon schüttelte den Kopf.
    »Er ist zurückgeflogen worden nach Jerusalem. Morgen wird er begraben. In den Kriegswirren wußte niemand, wo du bist. Man konnte dich nicht benachrichtigen. Ich habe Stunden gebraucht, um dich endlich zu finden. Die Verwaltung hat dazu keine Zeit. Es schlägt alles über uns zusammen. Fünfzehntausend Gefangene allein im Gazastreifen. Tausende Verwundete, Tausende Versprengte in der Wüste, ohne Wasser und Verpflegung – und dazu noch an allen Fronten Krieg.« Rishon zog Ariela an sich. Jetzt ist sie wie ein aus dem Nest gefallenes junges

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