Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
an 'ner Banja vorbeikomme, plätschert dat da drinnen. Und wat soll isch sajen: Steht doch 'ne Madka im Holztrog, janz nackt, und wäscht sich. Junge …« Müller XII machte mit beiden Händen eine umfassende Bewegung. »Und wat sagt die auch noch: Nix schießen, soldati! Liebe Dunja, nix tott machen!« Müller XII blinzelte. »Dat war meine liebste Kriegsjefangene …«
    Nun lagen sie auf dem Flachdach, das Drummser, der etwas französisch sprach, von dem armenischen Hausbesitzer gemietet hatte. Von hier aus erlebten Müller, Drummser und Freitag die Eroberung der Klagemauer mit, ja sie wurden sogar von jordanischen Scharfschützen unter Feuer genommen, was Müller XII hell entzückte.
    »Rübe runter!« brüllte er und drückte sich an die Sandsäcke. »Freitag, Sie Pflaume … Hacken flach und den Arsch einziehen! Sind wohl schräg, wat? Könnte Ihnen so passen, sich durchsieben zu lassen, Sie Lustlümmel!«
    Drummser lag mit stoischer Ruhe auf dem glühenden Dach und beobachtete durch eine Ritze der Sandsackmauer die Altstadt. Freitag kroch neben ihn, der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Er zitterte und hatte Angst.
    Warum das alles, dachte er. Warum bin ich bloß mitgegangen? Diese beiden alten Schwätzer, diese Pulvergierigen, diese Ewiggestrigen! In ihnen zuckt das Feldwebelherz, wenn sie es knallen hören! Sie sind auch diejenigen, die beim Schützenfest mit Adlerblick und hohlem Kreuz im Gleichschritt marschieren und leise ihren jüngeren Nebenmännern zuflüstern: Links – rechts – links – rechts. Schritt wechseln. Seitenrichtung – Vordermann … Links – rechts … Warum bin ich bloß mitgegangen?
    Und dann überfiel es ihn mit erschreckender Deutlichkeit: Ja, so ist es. So ist es immer. Da sind einige, die haben die Stärke in der Schnauze, und da sind die vielen anderen, die folgen ihnen und wissen nicht, warum. Die kriechen ihnen nach durch Trümmer … wie ich … die liegen auf einem glühenden Dach in der Sonne hinter Sandsäcken … wie ich … die lassen sich beschießen … wie ich … die sterben, verbluten, werden Krüppel, verhungern, erfrieren, werden wie tolle Hunde erschlagen … und wissen nicht, warum.
    Wie ich!
    »Ha!« schrie Müller XII auf. Er lag neben Freitag und verfolgte durch ein Fernglas den Angriff der israelischen Panzer auf eine Stellung der Jordanier am Ölberg. »Diese Idioten! Nu sehen Se sich dat an! In breiter Formation! Ja, spülen mer denn Manöver? Wenn dat der jute alte Guderian sähe! Panzerkeile … awwer erst trommeln! Trommeln! Feuerschlag á la Stalingrad! Da han die Ratten sich vor Angst in da eijene Schwanz jebisse! Is dat denn möglich! Die jreifen an ohne Artillerie!«
    »Sie wollen die heiligen Stätten schonen«, sagte Freitag. Die glühende Hitze auf dem Dach nahm ihm fast den Atem. Aber er hielt an der Seite Drummsers und Müllers aus, er wollte kein Feigling sein. »Dort liegt das Mariengrab, die Marienquelle, das Grab der Propheten …«
    »Wat jehen uns die bärtigen Methusalems an?« schrie Müller XII. »Die hatten zweitausend Jahre Ruhe! Jetzt rummst's! Feuerschlag, sag' ich! Alle Rohre los! Und noch während et orjelt und einschlägt, Panzer vor. Awwer dat da! Dat is ja beschämend! Dat is doch keine Krieg …«
    Um sie herum summte es. Müller XII ging mit einem Schwung in Deckung. Auch Drummser und Freitag drückten sich an die Sandsäcke. Zwitschernd schlug es vor ihnen ein, an den Dachrand, in die Säcke, pulverfeiner Sand sprühte über sie. Freitag schloß die Augen. Er tastete nach Drummser und ergriff seine Hand. Und Drummser verstand ihn und hielt seine Hand fest, wie ein Vater dem ängstlichen Sohn.
    »Fleckenschützen!« schrie Müller XII. »Arsch einziehen, Freitag! Wie in Gorki is dat! Saßen in den Bäumen, auch Weiber! Awwer die haben wir runterjeholt wie die Spatzen! Deckung!« Eine Salve schwirrte über sie hinweg und schlug hinter ihnen in die Mauer, die die Dachtreppe schützte. Müller XII stieß Freitag in die Seite.
    »Nun han Sie die Feuertaufe, mein Junge«, sagte er keuchend. Sand war in seinen Mund gekommen, er spuckte und hustete. »Nun sind Sie erst 'ne richtige Mann …«
    Freitag nickte stumm. Drummser hielt noch immer seine Hand. Wie gut das tat.
    Und während Müller XII von Rußland und den Flintenweibern erzählte, dachte Freitag an seine Mutter. Sie saß jetzt, um diese Zeit, am runden Tisch im Wohnzimmer und trank ein Täßchen Kaffee und aß einen Königskuchen dazu. Und sie dachte an ihren Sohn,

Weitere Kostenlose Bücher